Der schwierige Kampf gegen den Hass im Netz

Setzt den rechtlichen Kampf gegen Hass im Internet auch als Privatperson fort: die frühere grüne Bundessprecherin Eva Glawischnig.
Setzt den rechtlichen Kampf gegen Hass im Internet auch als Privatperson fort: die frühere grüne Bundessprecherin Eva Glawischnig. (c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Fortschritte gibt es beim Löschen von Hasspostings durch Facebook und Co. Neben mehr rechtlichen Möglichkeiten braucht es aber auch Bewusstseinsbildung.

Wien. Eva Glawischnig und Bianca Heinicke alias Bibi haben auf den ersten Blick wenig gemeinsam: Die eine ist gerade von der Spitze der Grünen aus der Politik ausgestiegen, die andere ein deutscher YouTube-Star. Und doch teilen die beiden etwas: Sowohl die Ex-Politikerin als auch die Ikone der Internet-Generation (4,4 Millionen Menschen abonnieren Bibis Beauty-Kanal) mussten im Netz schon Hasskommentare ertragen.

„Miese Volksvertreterin“ oder „korrupter Trampel“ waren noch die freundlicheren Zuschreibungen für Glawischnig, die bei ihrem Rücktritt auch den Ton in der Politik und solchen Kommentaren täglich ausgesetzt zu sein als sehr belastend kritisierte. Bibi bekam als Reaktion auf ihr erstes Musikvideo unter anderem „Vergasen, die Schlampe“ zu lesen.

Digitaler Alltag

Hasspostings gehören – wie auch die Verbreitung von Fake News und Verschwörungstheorien – zum digitalen Alltag. Dabei sind nicht nur Einzelpersonen das Ziel von Angriffen, hetzerische Kommentare gegen ganze Bevölkerungsgruppen bis hin zu Mordaufrufen finden sich täglich im Netz. Flüchtlinge etwa geraten immer wieder pauschal ins Visier.

Während Bibi die jüngsten Beleidigungen gegen sie im Internet als Zeichen der Zeit abtut, sucht die Politik international nach Wegen, um im Internet eine gesittete Gesprächskultur zu gewährleisten und die sozialen Netzwerke in die Pflicht zu nehmen.

Grüne Serie von Klagen

Die EU-Kommission hat Facebook und Co. 2016 eine Selbstverpflichtung zur raschen Prüfung und Löschung von Hasspostings abgerungen. Nach schleppendem Beginn ist die Löschungsrate zuletzt deutlich gestiegen (siehe Infobox). Doch damit ist es nicht getan.

Die Grünen haben bisher rund 50 Musterprozesse gegen Hassposter geführt, Glawischnig will die von ihr begonnene Klagsserie auch nach ihrem Rückzug aus der Politik fortsetzen.

Zuletzt hat sie ein wegweisendes Urteil erreicht: In einer Klage vor dem Oberlandesgericht Wien gegen Facebook hat das Gericht klargestellt, dass in Österreich auch österreichisches Recht anzuwenden ist – und dass Löschungen weltweit erfolgen müssen. „Das bedeutet, dass sich Betroffene nun auch zur Wehr setzen können, wenn Facebook Beiträge trotz Aufforderung nicht löscht“, erklärt die Rechtsvertreterin der Grünen in der Causa, Anwältin Maria Windhager.

Trotz gestiegener Löschraten ist noch immer nicht nachvollziehbar, was von den sozialen Plattformen gelöscht wird und was nicht: „Das Problem mit der Selbstverpflichtung ist, dass sie nicht in allen Fällen umgesetzt wird“, sagt Windhager. So war der Fake Account, von dem aus Glawischnig beleidigt wurde, auch Wochen nach dem Urteil noch online.

Was können Betroffene tun?

Was können Betroffene also sonst noch tun? Gegen Hassposter gibt es rechtliche Mittel, wobei der Rechtsweg bisweilen mühsam ist.

Voraussetzung für jede Klage ist eine ausreichende Dokumentation: „Wer selbst Opfer von Hasspostings wird oder solche im Netz sieht, sollte sie also zuallererst sichern“, rät Windhager. Je nachdem, ob es sich um Verleumdung, Verhetzung, üble Nachrede oder Beleidigung handelt, ist der Rechtsweg ein anderer.

Neben Strafen ist die Bewusstseinsbildung wichtig, dass auch im Internet nicht alles erlaubt ist: „Es geht darum, Umgangsformen für das Netz und einen gemeinsamen Grundkonsens zu finden, wie wir miteinander umgehen“, sagt Rechtsanwältin Windhager. Insofern sei die von der Bundesregierung gestartete Initiative gegen Gewalt im Netz zu begrüßen.

Zehn Tipps gegen Hass im Netz hat zuletzt die für Digitales in der Bundesregierung ressortmäßig zuständige Staatssekretärin, Muna Duzdar (SPÖ), zusammenstellen lassen. Nachfragen und entlarven sind zwei davon – man könnte es auch gesunden Menschenverstand nennen.

AUF EINEN BLICK

Löschauftrag. Facebook, Twitter oder auch YouTube haben sich im Jahr 2016 gegenüber der EU-Kommission dazu verpflichtet, inkriminierte Postings innerhalb von 24 Stunden einer Prüfung zu unterziehen und diese dann allenfalls auch zu löschen. Diese Löschraten sind zuletzt auch tatsächlich gestiegen: im Durchschnitt von 28 auf 59 Prozent, wie die EU-Kommission jüngst in einem Bericht festgehalten hat.


In Österreich ist diese Löschrate mittlerweile sogar von 11,4 auf 76,1 Prozent gestiegen. Für EU-Justizkommissarin Vera Jourova zeigt dies, dass ein „selbstregulierender Ansatz“ der richtige Weg sei. Zuletzt hat es auch den Ruf nach Strafen gegen soziale Netzwerke gegeben, die Postings trotz Meldung belassen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.06.2017)

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