Brüssels Leben mit dem Terror

Militär bewacht den Brüsseler Zentralbahnhof.
Militär bewacht den Brüsseler Zentralbahnhof. (c) APA/AFP/EMMANUEL DUNAND
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Der vereitelte Anschlag im Zentralbahnhof zwei Tage vor dem EU-Gipfel zeigt, wie groß die Gefahr in der Stadt bleibt, aber auch wie effizient die Sicherheitskräfte mittlerweile agieren.

Brüssel. Wie in einem Wespenschwarm: Innerhalb von Minuten war die Brüsseler Innenstadt von Polizei und Soldaten eingenommen, Sirenen heulten, Hubschrauber kreisten über den Häusern. Der Gare Centrale, Brüssels zentraler Bahnhof, wurde innerhalb weniger Minuten isoliert. Kurz darauf wurde das gesamte Gebiet bis zum nahen Grand Place, dem Hauptplatz der Innenstadt, evakuiert und abgesperrt.

Dass ein Terroranschlag am Dienstagabend zwei Tage vor Beginn des EU-Gipfels vereitelt werden konnte, hat mit dem offenbar irritierten Attentäter, aber vor allem mit dem effizienten Vorgehen der Sicherheitskräfte zu tun. Sie bewiesen, dass sie mittlerweile rasch reagieren können und auf Angriffe wie im Gare Centrale gut vorbereitet sind. Belgiens Ministerpräsident Charles Michel dankte denn auch Soldaten. In einer gefährlichen Situation hätten sie schnell und professionell reagiert. Auch Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker bedankte sich für das Vorgehen.

Bei dem Attentäter handelt es sich laut Staatsanwaltschaft um einen 36-jährigen Marokkaner, der so wie frühere Terroristen aus dem Brüsseler Problembezirk Molenbeek stammt, in dem sich muslimische Zuwanderer angesiedelt haben. Er wurde bisher nicht mit dem Terrornetzwerk des sogenannten Islamischen Staats in Verbindung gebracht, war aber wegen Drogendelikten polizeibekannt.

Der Attentäter war am Dienstag mit einer in einem Koffer versteckten selbstgebauten Nagelbombe um 20.39 Uhr im Bahnhof aufgetaucht. Laut Sicherheitskräften habe er sich einer Gruppe von Menschen genähert. Sein Versuch, die Bombe zu zünden, dürfte aber missglückt sein. Der Sprengsatz detonierte nicht gänzlich. Während sich die Passanten in Sicherheit brachten, habe der Koffer Feuer gefangen und sei ein zweites Mal zum Teil explodiert. Der Attentäter sei daraufhin wieder in die Halle zurückgerannt und mit den Worten „Allahu akbar“ auf einen Soldaten zugestürmt. Dieser habe mehrmals auf ihn geschossen. Der Attentäter starb. Sein Körper wurde zunächst aus Angst vor weiteren Sprengfallen liegen gelassen. „Es war klar, dass der Attentäter mehr Schaden anrichten wollte, als er es dann tatsächlich tat“, sagte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft.

Razzia in Molenbeek

Am gestrigen Mittwoch wurden in Molenbeek Razzien im Umfeld des Attentäters durchgeführt. Die Sicherheitskräfte suchten nach möglichen Verbindungsmännern. Gleichzeitig wurde versucht, das normale Leben in der Stadt rasch wieder herzustellen. Für Besucher ist es augenscheinlich, dass die Angst vor Anschlägen mittlerweile in Brüssel ebenso Alltag geworden ist wie die Sicherheitsvorkehrungen. Polizei und Militärfahrzeuge prägen das Straßenbild, bewaffneten Soldaten bewachen Bahnhöfe und öffentliche Plätze.

Schon in frühen Morgenstunden war am Mittwoch der Gare Centrale wieder in Betrieb genommen worden. Die Straßensperren wurden aufgehoben. Allerdings wurde das Aufgebot an Soldaten und Polizisten nochmals erhöht.

Am Donnerstag und Freitag findet in Brüssel der Juni-Gipfel der Staats- und Regierungschefs der EU statt. Trotz des Anschlags wurde die Terrorwarnstufe nicht erhöht. Allerdings konnten die Sicherheitskräfte weitere Terroranschläge nicht ausschließen. Bahnhöfe in Namur, im Süden des Landes, und in Antwerpen, im Norden wurden kurzfristig gesperrt, nachdem verdächtige Gepäcksstücke aufgetaucht waren.

Brüssel war in den vergangenen Jahren mehrfach Ziel islamistischer Terroranschläge. Im März 2016 töteten mehrere Bomben am Flughafen Zaventem und in der Metrostation Maelbeek 32 Menschen. Wenige Monate zuvor, im August 2015, schoss ein Attentäter in einem aus Brüssel kommenden Schnellzug auf Fahrgäste, wurde aber überwältigt. Im Mai 2014 tötete ein französischer Islamist vier Menschen im Jüdischen Museum.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.06.2017)

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