Werner Langen: "Das ist ein großes System der Verschleierung"

Werner Langen
Werner Langen(c) APA/AFP/THIERRY CHARLIER (THIERRY CHARLIER)
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Die Finanzminister behindern den Kampf gegen Steuerbetrüger, kritisiert der CDU-Mandatar Werner Langen.

Die Presse: Hätten Sie erwartet, dass Ihre Arbeit im Panama-Ausschuss, den Sie führen, so schwer wird – einschließlich Behinderung durch die Finanzminister?

Werner Langen: Das Untersuchungsausschussrecht des Europäischen Parlaments ist lückenhaft im Vergleich zu den nationalen Parlamenten. Wir können zum Beispiel keine Vorladungen aussprechen mit Sanktionsmöglichkeiten, falls sie nicht befolgt werden. Unser Auftrag betrifft die Mitgliedstaaten und die Kommission bei der Umsetzung der Vorschläge und Gesetze gegen Steuerhinterziehung, Steuervermeidung und Geldwäsche. Der Rat blockiert ganz klar. Ich will ein Beispiel nennen: Die Details der Steuervereinbarungen werden in der sogenannten Group of Conduct beschlossen.

Ein Gremium hoher Fachbeamten der Finanzministerien.

Ja. Die Protokolle, die man uns von dort zugestellt hat, in denen es um Tax Rulings, Mehrwertsteuerbetrug, Geldwäsche ging, waren weitgehend geschwärzt. Denn weder die Kommission noch das Parlament soll erkennen, wie die jeweiligen Mitgliedstaaten blockiert haben. Das ist ein großes System der Verschleierung. Uns wird der Einblick in Akten verweigert, mittels derer wir Druck in der Öffentlichkeit ausüben könnten. Der Rat definiert, was vertraulich ist. Und das dürfen wir dann nur in einem abgeschlossenen Leseraum einsehen, ohne Aufnahmegeräte, man darf sich nur Notizen machen.

Die Verhinderer von mehr Transparenz in Steuerfragen sitzen auch anderswo. Als die Kommission vorige Woche ihren Vorschlag präsentierte, Rechtsanwälte und Steuerberater strenger in die Pflicht zu nehmen, hieß es: Da stünden wir stets mit einem Fuß im Kriminal.

Das ist absolute Hysterie. Seit ich im Europaparlament bin, gibt es Debatten über die Rechte und Pflichten der Anwälte: also seit 1994. Und die Anwälte haben es bisher stets geschafft, eine Mehrheit gegen strengere Regeln zu organisieren. Dieses Mal wird ihnen das nicht mehr gelingen. Der Deutsche Anwaltsverein ist eine Stunde bei mir im Büro gesessen und hat mich beschimpft. Bloß: Die Selbstregulierung der Kammern funktioniert nicht. In den Panama-Papieren gab es 403 Fälle mit Luxemburg-Bezug: 103 betrafen Banken, 300 Steuerberater und Anwälte. Bei den Banken hat die Aufsicht 63 Fälle untersucht, einige Prozesse sind da noch im Gang. Bei den Steuerberatern und Anwälten ist nur ein Fall aufgegriffen worden: 300 Unschuldslämmer!

Was hätten Sie gern als Sanktion für nicht gemeldete Vermittlung von unlauteren Steuerkonstruktionen?

Bei mehrmaligem Verstoß den Lizenzentzug, einschließlich Geldbußen. 90 Prozent sind absolut sauber. Die dürften damit kein Problem haben. Aber die zehn Prozent, die unsauber sind, müssen am Hammelbein gepackt werden. Bei den Banken hat die öffentliche Ächtung recht gut funktioniert.

Mehr als ein Jahrzehnt von Enthüllungen darüber, wie Konzerne und reiche Leute ihr Geld auf unsaubere Weise verräumen. Die Bürger sind darüber empört und sagen: Die Arbeitnehmer müssen hohe Steuern und Abgaben leisten, während es sich „die da oben“ richten. Wieso gibt es im Rat, bei den Finanzministern, so wenig Bewusstsein für dieses Problem?

Weil das Einstimmigkeitsrecht in Steuerfragen so verheerend ist. Und keiner kann es durchbrechen. Das ist unser Hauptproblem. Einstimmigkeit heißt in der EU: Der Schlechteste, der Langsamste, der Frechste bestimmt die Geschwindigkeit des Geleitzuges. Ich habe 15 Jahre lang die Zinsrichtlinie verfolgt. Erst hat Luxemburg blockiert. Dann Luxemburg und Österreich. Dann Luxemburg, Österreich und Großbritannien. Danach hieß es zehn Jahre lang: Wir müssen die Schweiz mit ins Boot nehmen. Dann waren wieder Österreich und Luxemburg dagegen, ehe sie zustimmten – aber sie haben die Fonds ausgenommen. Und darum ist Luxemburg heute der größte Fondsstandort.


Eine Sisyphos-Arbeit.

Wir machen uns keine Illusionen: Es ist klar, dass Leute mit hohem Vermögen eher Wege finden, ihr Geld irgendwo unterzubringen, als jemand, der von der Hand in den Mund lebt. Aber es ist eine Frage der Gerechtigkeit. Gesellschaften, die so sehr auseinanderdriften, gefährden die Demokratie: Das haben Sie am britischen Votum und an der Präsidentenwahl in den USA gesehen. Demokratie lebt von dem Gefühl, dass man einigermaßen gerecht behandelt wird.

Die EU versucht, ihren Nutzen für die Bürger stärker zu betonen. Aber gerade Ihre Arbeit im Panama-Ausschuss zeigt, dass die hohen Erwartungen der Menschen in der Steuerpolitik enttäuscht werden. Es gibt kein Köpferollen, keine Reformen.

Köpferollen allein ist ein eintägiges Spektakel, aber nicht nachhaltig. Wir wollen, dass der Druck für Änderungen steigt. Da bin ich gar nicht so pessimistisch. Schauen Sie, ich mache das aus Überzeugung. Ich stamme aus bescheidenen Verhältnissen. Mein Vater war Bauer und Winzer an der Mosel. Als er nach den Regeln der fränkischen Realteilung mit seinen Schwestern teilen musste, war ich zehn und hatte noch drei jüngere Brüder. Und er konnte die Familie nicht mehr ernähren. Da ist er Arbeiter geworden. Ich weiß, wie das ist, wenn die Leute sagen: Große Steuerreform, aber bei mir kommen nur 17 Euro im Monat an. Es geht um die Einnahmen- und Ausgabenseite.

An der Steuergerechtigkeit hängt auch die Legitimität der Marktwirtschaft, wenn man vermeiden will, dass jeder Unternehmer unter Generalverdacht steht, Geld am Fiskus vorbeizuschieben.

Das ist so. Ich verstehe es zum Teil, dass die Beteiligten das Thema nur mit spitzen Fingern angreifen wollen. Aber dafür gibt es den Gesetzgeber. Jetzt gucken Sie sich einen gravierenden Fall an, über den sich die Öffentlichkeit aufregt. Ich wohne an der Mosel, in der Nähe von Koblenz. Die wichtigste Binnenschifffahrtslinie ist die Köln-Düsseldorfer, die befährt die Mosel, den Rhein und die Nebenflüsse. Vor ein paar Jahren hatte sie finanzielle Probleme. Da hat sie ihren Betrieb nach Valletta auf Malta verlegt. Jetzt steht auf den Schiffen hinten, unter dem Wappen von Drachenfels oder Cochem: „Valletta, Malta“. Das ist doch absurd!

Das EU-Mitglied Malta ist ein ganz spezieller Fall, wie die Veröffentlichungen der Malta Files zeigen.

Ich bin dankbar dafür, dass diese Informationen durchgesteckt werden. In Internetzeiten ist es einfacher, Geld zu verstecken – aber es kommt auch schneller ans Tageslicht. Vergangene Woche im Ausschuss habe ich bei der Anhörung des Premierministers von Malta zwischengerufen, dass er eine Lüge erzähle, wenn er sagt, vier Untersuchungen liefen bereits. Daraufhin ging der Sturm in Malta los. Der wurde so heftig, dass am Samstag der Erzbischof von Malta sich im Interview zu Wort gemeldet und gesagt hat: Diese Art der Hassreden und Angriffe auf gewählte Politiker zerstöre die Demokratie. Der Erzbischof! Können Sie sich das vorstellen?

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.06.2017)

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