Wifo/IHS: Österreichs Wirtschaft wächst unerwartet stark

Wifo-Chef Christoph Badelt und IHS-Chef Martin Kocher erhöhen die Wachstumsprognosen
Wifo-Chef Christoph Badelt und IHS-Chef Martin Kocher erhöhen die WachstumsprognosenAPA/HELMUT FOHRINGER
  • Drucken

Wifo und IHS haben ihre Konjunkturprognose deutlich nach oben gesetzt. Angetrieben wird die Konjunktur in Österreich von der exportorientierten Sachgütererzeugung.

Österreichs Wirtschaft wächst unerwartet stark. Wifo und IHS haben ihre Konjunkturprognose vor allem für heuer deutlich erhöht. Gepusht wird die Konjunktur wegen der guten Weltwirtschaft von den Exporten. Die Arbeitslosigkeit sinkt 2017/18 stärker als zuletzt angenommen. Die Politik warnen die Institutschefs vor "Geschenken" vor der Neuwahl, sie haben auch eine To-Do-Liste an die neue Regierung.

"Hoch werden wir's nicht mehr verlieren dieses Jahr, was die Konjunktur betrifft", meinte IHS-Chef Martin Kocher am Donnerstag in Abwandlung eines Fußballer-Spruchs vor Journalisten. Für die Anhebung der BIP-Wachstumserwartung auf real 2,2 Prozent im heurigen Jahr sprächen die breite Absicherung des Aufschwungs, die sehr guten Daten von Anfang 2017, die sehr positiven Vorlaufindikatoren und die sehr gute Konsumentenstimmung. Außerdem hätten sich einige noch im Frühjahr gesehene Risiken bisher nicht materialisiert, etwa Befürchtungen eines neuen US-Protektionismus.

Mit dem kräftigen Wachstum habe Österreich nach längerer Zeit wieder den Euroraum und Deutschland überholt, "wir sind jetzt wieder vorne und holen da praktisch auf", so Kocher. Größtes Risiko bleibe aktuell der Brexit, ansonsten seien die geopolitischen Risken unverändert. Die sehr expansive Geldpolitik führe ebenfalls dazu, dass die Konjunktur momentan so gut sei.

Wifo/IHS-Konjunkturprognose
Wifo/IHS-Konjunkturprognose(c) APA

Auch für den Chef des Wirtschaftsforschungsinstituts (Wifo), Christoph Badelt, ist die Grundbotschaft optimistisch. Der Aufschwung sei gegenüber der März-Prognose noch deutlich stärker geworden, getragen von einer extrem günstigen Entwicklung der Exporte -, was sich in einer stark positiv wachsenden Leistungsbilanz niederschlagen werde -, und auch einem positiven Vertrauen durch den Arbeitsmarkt: "Die Menschen trauen sich wieder mehr Geld auszugeben, weil sie sich nicht mehr so fürchten, arbeitslos zu werden."

Jedoch seien so hohe Arbeitslosenraten "nicht akzeptabel", verwies Badelt auf die von beiden Instituten für 2017/18 prognostizierten 8,6 bzw. 8,4 Prozent nach nationaler Berechnung: "Quoten über acht Prozent deuten auf massive Strukturprobleme hin", so der Wifo-Chef. Auch Kocher begrüßt den Turnaround am Arbeitsmarkt, erachtet das hohe Arbeitslosen-Niveau aber für "noch nicht zufriedenstellend". Und Badelt verweist darauf, dass das Problem Langzeitarbeitslosigkeit nur durch Bildung lösbar sei. Dessen ungeachtet verzeichnet Österreich heuer den deutlichsten Rückgang der Arbeitslosigkeit seit 2010, und schon seit Anfang 2017 gibt es das stärkste Beschäftigungsplus seit 2011. Inwiefern sich die "Aktion 20.000" auswirken wird, wisse man derzeit noch nicht.

Über Blasen an den Finanzmärkten müsse man sich momentan noch keine Sorgen machen, meinte Kocher. Die Volatilität sei im Moment noch immer recht gering, das Thema sollte aber auch in Zukunft nicht aus den Augen verloren werden.

Bei der neuen Prognose gebe es auch Aufwärtspotenziale. So könnte sich die globale Nachfrage laut Kocher noch besser entwickeln, abhängig auch von der US-Fiskalpolitik. Und die positive Stimmung von Verbrauchern und Unternehmen könnte rund um den Wahlkampf und die Regierungsbildung zusätzlich stimuliert werden, "dann könnte auch 2018 ein Zweier vor dem Komma stehen", meinte Kocher. An sich rechnet das IHS für kommendes Jahr mit 1,7 Prozent BIP-Plus, das Wifo mit 2,0 Prozent.

"Keine Wahlgeschenke"

Auch international herrsche momentan eine recht positive Stimmung vor - positiv auch für die heimischen Exporteure, sagte der IHS-Chef. Sein Institut geht für heuer und 2018 von jeweils rund dreieinhalb Prozent Expansion der Weltwirtschaft aus, "um einiges besser als zuletzt angenommen". Die USA würden im zweiten Halbjahr noch zulegen, China sei relativ robust.

An die heimische Politik richteten die Chefs von Wifo und IHS die Warnung vor nicht gegenfinanzierten Ruck-Zuck-Beschlüssen und vor "Wahlgeschenken" im Vorfeld der auf Mitte Oktober vorgezogenen Nationalratswahl. So kritisierte Badelt etwa den jüngsten Parlamentsbeschluss für ein höheres Uni-Budget. Ihm gehe es um das "Ausgabenverhalten der Regierung in den letzten Tagen", selbst wenn durchwegs vernünftige Dinge beschlossen würden - ohne dass zugleich auch deren Gegenfinanzierung fixiert werde. "Es braucht auch eine Lösung der strukturellen Probleme der Unis", so Badelt, der von 2002 bis 2015 WU-Rektor war.

Ein derartiges Hinterlassen von "ungelösten ökonomischen Problemen" habe man schon am Regierungsprogramm kritisiert, "jetzt geht es noch über das Regierungsprogramm hinaus". Werde die Gegenfinanzierung nicht gleichzeitig beschlossen, könnte es womöglich zu einer Defizit-Erhöhung führen, meinte der Wifo-Leiter. Auch IHS-Chef Martin Kocher "warnte" bei der Vorlage der neuen vierteljährlichen Konjunkturprognose der beiden Institute davor, "die Zeit bis zur Wahl für Wahlgeschenke zu verwenden".

Der künftigen neuen Regierung schrieben Kocher und Badelt eine To-Do-Liste ins Stammbuch. Der IHS-Chef wünscht sich vor allem Maßnahmen zur Verbesserung des Standorts (Bürokratieabbau, effiziente Verwaltung), eine Staatsorganisations-Reform sowie eine "sinnvolle Steuerreform", wobei er eine effizientere Einnahmenseite, eine Senkung der Abgabenquote und eine Adaptierung der Steuerstruktur nennt. Zudem eine "Digitalisierungsstrategie", denn "Tablets in den Schulen sind nicht genug". Badelt kann "das alles unterschreiben", ihm geht es auch ums Prozedere. Er fragt sich, was die künftige Regierung anders tun müsste, damit Vorschläge auch angegangen werden. Und er lehnt gegenseitiges Bewerfen mit Schlagworten ab, die die jeweils andere Seite dann ablehne.

(APA)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Pierre Moscovici.
Österreich

Eurozone: Stärkstes Wachstum seit 2007

Das Wirtschaftswachstum in der Eurozone wird mit 2,2 Prozent heuer so stark ausfallen wie seit zehn Jahren nicht mehr, so die Herbstprognose der EU. Auch Griechenland kann wieder zulegen. Österreich liegt über dem Schnitt.
Haertere Strafen fuer EU-Defizitsuender
Österreich

EU-Herbstprognose: Österreichs Wirtschaft wächst kräftig

Die EU-Herbstprognose sagt Österreich ein sprunghaftes BIP-Wachstum voraus. Auch am Arbeitsmarkt werden Verbesserungen erwartet. Budgetdefizit und Staatsschulden sollen sinken.
THEMENBILD: BAUSTELLE KNOTEN PRATER
Österreich

Österreichs Wirtschaft hält Wachstumstempo auch im dritten Quartal hoch

Das BIP legt wieder um 0,8 Prozent zu. Der Aufschwung stehe laut den Wifo-Experten auf breiter Basis.
Maxhuette-Beschaeftigte wechseln in Projekt- und Trainingsgesellschaft
Österreich

Wirtschaft boomt - OeNB erhöht Wachstumsprognose für 2017

Die bessere internationale Wirtschaftslage und eine höhere Binnennachfrage pushen Österreichs Wirtschaft, begründet OeNB-Gouverneur Ewald Nowotny die Erhöhung auf 2,7 Prozent.
Christoph Badelt.
Österreich

Konjunktur: Ein Aufschwung mit Fußnoten

Konsum und Exporte treiben das Wachstum. Aber auf dem Arbeitsmarkt gibt es viele ungelöste Probleme. Und Wifo-Chef Christoph Badelt fordert eine Abgabenreform.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.