Martin Kušej wird 2019 das Haus am Ring übernehmen – und viel verändern. Denn „die Burg sei an einen Stagnationspunkt angelangt.“ Er stehe für Irritation. Die Burg wolle er für andere Sprachen neben dem Deutschen öffnen.
Es ist Zeit, wieder politisch zu werden. Ich stehe für Veränderung, Irritation und Aufregung. Vor allem soll es immer etwas Neues sein“, sagte Martin Kušej gestern in Wien. Zuvor hatte Kulturminister Thomas Drozda den neuen Burgtheaterdirektor der Öffentlichkeit präsentiert. Der Österreicher wird im September 2019 Karin Bergmann nachfolgen.
Wie es sich gehört, bedankte sich Kušej bei ihr mit Überschwang dafür, dass sie das Haus nach den vielen Skandalen „in ein ruhigeres, steriles Fahrwasser gebracht hat“. Gleichzeitig ließ Kušej durchblicken, in Zukunft vieles ganz anders als Bergmann machen zu wollen: „Ich will niemandes Arbeit schmälern, aber das Burgtheater ist jetzt an einem gewissen Stagnationspunkt. Ich nehme an, man hat mich deshalb geholt“, sagte er. Und Drozda schwieg. Nicht anders war das auch 2011 in München, als der Kärntner Slowene als Intendant das Bayerische Staatsschauspiel übernahm: Dort sei er angetreten, um das Residenztheater neu auszurichten, „das damals auch so ein bisschen im Dornröschenschlaf war. Das ist gelungen, das kann ich mit Fug und Recht behaupten. Und hier ist meine Aufgabe, ein schon sehr gutes Theater noch besser zu machen.“
Kušej will die Jugend ins Haus holen
Wie er das bewerkstelligen will, dazu hat der 56-Jährige so seine Vorstellungen, „wenngleich es mich nie interessiert hat, einfach Burgtheater-Direktor zu werden“. Vielmehr gehe es ihm darum, dieses „wichtige und große Theater“ in die Zukunft zu führen. Er wolle Vollgas geben. „Skandale soll es jedoch höchstens auf der Bühne geben, sonst auf keinen Fall.“ Das digitale Zeitalter sei der größte Konkurrent der Bühnenwelt. „Ich will dem gegenüber die analoge Welt des Theaters stellen, den Menschen aus Fleisch und Blut. Dem Live-Erlebnis muss Aufmerksamkeit geschenkt werden.“ Im Zentrum stehe dabei immer der Schauspieler, betont Kušej: „Ich bekenne mich zum Schauspieler- und Ensembletheater, denn irgendwann werden die Menschen für wahnsinnig viel Geld Theaterkarten kaufen, weil man dort noch Menschen schwitzen sieht.“
Sorgen bereitet dem künftigen Direktor der Schwund an jungen Zusehern. Darauf zu vertrauen, dass die Kinder das Abonnement der Eltern erben, funktioniere nicht mehr. Er wolle neue, flexible Konzepte aus München ausprobieren, auch die Kinder-, Jugendarbeit intensivieren. „Das war unter meiner Intendanz ein zentraler Punkt.“ Einmal im Jahr ein „echtes Familienstück“ auf dem Spielplan zu haben, ist für ihn deshalb ein Muss.
Auch sei es an der Zeit, dass sich das Haus „dem Faktum einer multikulturellen Gesellschaft stellt“. Was das heißt? „Es kann nicht sein, dass wir das Theater oder die Kultur einer Stadt durch eine einzige singuläre Sprache, nämlich Deutsch, definieren.“ Mit Drozda sei er sich einig, dass man sich nach außen öffnen müsse. Eine Internationalisierung: „Ich will, dass die Leute, wenn sie nach Wien kommen, ins Burgtheater gehen, aber nicht aus einer Tradition heraus, sondern, weil es ein modernes, flexibles Theater ist.“
Nichts soll also bleiben, wie es war. Auch dass es im Burgtheater bald viele neue Gesichter geben wird, ist gewiss. Kušej will nämlich „mit einem ganz neuen, jungen Team arbeiten“, sagte er. Konkreter will er freilich nicht werden: „Ich kann Ihnen heute keinen Spielplan sagen, und auch nicht, welche Ensemblemitglieder sie in zwei Jahren noch sehen werden. Keine Ahnung.“
„Ich bin nicht so bekloppt“
Klar ist für Kušej jedoch, dass er auch als Intendant Regie führen wird. Allerdings plant er nicht mehr als eine Inszenierung pro Saison. Details seien jedoch noch nicht verhandelt, überhaupt gibt es noch keinen unterschriebenen Vertrag. Doch Kušej ist sensibilisiert. Er will es jedenfalls anders machen als Ex-Burg-Chef Hartmann, der sehr viel selbst inszeniert und dafür ein gesondertes Honorar erhalten hat. „Sie können davon ausgehen, dass ich nicht so bekloppt bin, mich hier zu bereichern nach dem, was hier passiert ist“, sagt Kušej. Übrigens: Bilanzen könne er lesen, auch wisse er immer, wie viel Geld da sei. Die Burg will er – so soll es auch in seinem Vertrag festgehalten sein – schuldenfrei, wenn nicht sogar positiv übernehmen. Doch bei allem Kostenbewusstsein scheint er Rigidität zu verabscheuen: „Trotzdem können wir auch einmal – ich sage es provokant – sinnlos blöd Geld ausgeben, weil wir es einfach wollen“, sagt er. „Wir müssen es halt nur woanders wieder einnehmen.“
Alle drei, Holding-Chef Christian Kircher, Thomas Drozda und auch der kaufmännische Geschäftsführer der Burg, Thomas Königstorfer, lachten ob dieser Wortmeldung. Keine Frage, Kušej weiß, dass er für Reibung sorgen wird. „Ich bin ein Mensch, der Klartext redet“, sagt er, „ich kann gar nicht anders, als mich immer wieder aufzuregen.“
ZUR PERSON
Der Theater-, Opernregisseur und Intendant Martin Kušej wurde 1961 in Kärnten geboren. Von 1993 bis 2000 war er Hausregisseur am Staatstheater Stuttgart. Von 2004 bis 2006 war er Schauspieldirektor der Salzburger Festspiele. Seit 2011 ist er Intendant des Bayerischen Staatsschauspiels München. Im September 2019 wird er Direktor des Wiener Burgtheaters werden.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.07.2017)