Das Duell von Sebastian Vettel und Lewis Hamilton wird auch in Spielberg seine Fortsetzung erleben, denn zwei Alphatiere streiten um den WM-Titel. Ton und Fahrweise werden rauer, Strafandrohungen bremsen sie nicht.
Wien. Es mutet wie ein Treppenwitz an, wenn zwei Formel-1-Piloten anlässlich des Spielberg-GP in Wien für Verkehrssicherheit werben sollen, aber erst im vergangenen GP von Baku ein viermaliger Weltmeister seinen Kontrahenten vorsätzlich gerammt hat. Auch irritiert es, wenn Fragen dazu untersagt sind oder im Hintergrund eine Warnung bezüglich Alkoholkonsum und Fahrtüchtigkeit prangt, jedoch einer der Hauptsponsoren der Formel 1 ein globaler Bierkonzern ist. Aber Motorsport ist Entertainment, und wenn all das für den ÖAMTC tatsächlich hilfreich ist, die Zahl der Unfalltoten zu reduzieren, ist jedes Stilmittel recht.
Die Kampagne des Internationalen Automobilverbandes (FIA) soll Bewusstsein schaffen, dass Verkehrssicherheit jeden betrifft. Dass Sebastian Vettel (Ferrari) die Nerven verloren und Lewis Hamilton (Mercedes) gerammt hat, wollte der zweimalige Formel-1-Champion Fernando Alonso (2005, 2006) nicht weiter verurteilen. Er kratzte insofern die Kurve, als er sagte, dass man es doch auf einer abgesperrten, sicheren Strecke mache. Mit nicht nur einem, sondern sechs Gurten . . .
Vettels späte Reue
Das Duell der beiden WM-Leader – Vettel führt mit 153 Zählern vor dem Briten (139) – soll am Sonntag in Spielberg (14 Uhr) fortgesetzt werden. Vor dem Idyll des Alpenpanoramas steht Vettel aber nach seiner Pardonierung durch die FIA „unter Beobachtung“, für den reumütigen Ferrari-Star bedeutet dieser Grand Prix die erste Bewährungsprobe. Weitere Verfehlungen könnte er sich angesichts seines Sündenregisters mit neun Punkten nicht erlauben. Sind zwölf erreicht, ist eine Sperre unumgänglich. Bremsen wird er deswegen gewiss nicht.
Vettel leistete Abbitte, FIA-Präsident Jean Todt nickte, und die Causa war erledigt. Und, zur Wahrung der Sterilität dieser Liga: Der Deutsche entschuldigte sich auf seiner Homepage bei Hamilton. Eine Aussprache ist nicht geplant, warum auch – jede große Saison wird von Rivalität geprägt. Zuletzt waren es ausschließlich Stallduelle, ob Vettel bei Red Bull (Webber) oder Hamilton gegen Rosberg. Jetzt wurden Ton und Fahrweise aber rauer.
Mercedes-Hochburg
Die 4,326 Kilometer lange Power-Strecke in Spielberg ist die Silberpfeil-Hochburg, seit der F1-Rückkehr 2014 gewann stets ein Mercedes-Fahrer: 2014 und 2015 Nico Rosberg, 2016 jubelte Hamilton, übrigens auch nur dank eines grenzwertigen Überholmanövers. Vettel kam 2014 und 2016 nichts ins Ziel, 2015 war er Vierter – und jetzt fährt er um den fünften WM-Titel. Alphatiere dieser Größenordnung lieben Psychospielchen, brauchen Bremsmanöver und hassen nichts mehr als zweite Plätze. Ihnen vor einem Grand Prix Werbung für die Straßenverkehrsordnung abzuringen ist wie eine Exkursion mit notorischen Steuersündern zum Finanzamt.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.07.2017)