Frauenfußball-EM: "Nervenstärke und Lockerheit waren nicht mehr da"

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Nach dem Halbfinalout gegen Dänemark zeigt sich Österreichs Nationalteam enttäuscht. Teamchef Thalhammer betont dennoch: "Es ist gewaltig, was bewegt worden ist."

Österreichs Fußball-Frauen-Nationalteam hat bei der EM in den Niederlanden Geschichte geschrieben. Daran konnte auch das Halbfinalout gegen Dänemark im Elfmeterschießen in Breda nichts ändern. Die Enttäuschung über den knapp verpassten Aufstieg war bei Rekordtorschützin Nina Burger und Co. aber am Donnerstagabend klarerweise sehr groß, hatte man doch eine vielleicht einmalige Chance ausgelassen.

Erstmals im Turnierverlauf mussten die ÖFB-Kickerinnen mit hängenden Köpfen nach dem Spiel vor die Journalisten treten. Doch auch im Moment der Niederlage präsentierten sie sich sympathisch und auskunftsfreudig wie in den Wochen zuvor, als sie zu großen Heldinnen im Land aufgestiegen waren und eine große Euphorie ausgelöst hatten.

"Es war kein übermächtiger Gegner"

"Es überwiegt die Enttäuschung, denn so oft hat man nicht die Chance, dass man in ein Finale einzieht", gestand Mittelfeldspielerin Sarah Zadrazil. Von Burger war Ähnliches zu hören: "Es war kein übermächtiger Gegner, es ist bitter, dass es so knapp war, das macht es noch schlimmer." Eines war aber für beide klar, die EM könne man erhobenen Hauptes verlassen.

Im Gegensatz zum souveränen 5:3 im Elferschießen im Viertelfinale gegen Spanien gab es mit dem Nervenkostüm diesmal Probleme, die Coolness war wie weggeblasen. Schon in der 13. Minute schoss Sarah Puntigam im Spiel einen Elfmeter drüber. "Ich war mir sicher, leider ist er mir drüber gerutscht, das ist ärgerlich. Ich werde die Situation noch tausendmal vor Augen haben", sagte die Defensivspielerin. Es war der Anfang eines bitteren Abends, für Teamchef Dominik Thalhammer ein "Knackpunkt" im Spiel. Über 90 Minuten konnte die ÖFB-Elf zwar gut mithalten, in der Verlängerung wäre aber bereits ein dänischer Sieg verdient gewesen.

"Wir sind schon gegen Spanien 120 Minuten gegangen und unser Spiel lebt halt von sehr viel Laufen", erinnerte Thalhammer. Dass man in der Offensive nicht so sehr zur Geltung gekommen sei, sei vielleicht auch dem Aufwand, den man in den vier zuvor auch aufgrund des intensiven Spielstils kräfteraubenden Partien betrieben habe, geschuldet.

Trotzdem konnte man sich ins Elfmeterschießen retten, mit bitterem Ausgang. "Alles was uns gegen Spanien ausgezeichnet hat, die Nervenstärke und Lockerheit, war heute nicht mehr da", erklärte Thalhammer. Vorwurf gab es klarerweise keinen. "Es sind Menschen, sie konnten halt in der Situation nicht die beste Leistung abrufen", so der gebürtige Wiener.

"So ist der Sport"

Gegen Spanien hatten noch alle fünf Schützinnen sensationell getroffen, diesmal flatterten nicht nur bei Puntigam im Spiel, sondern auch bei einer unermüdlichen Laura Feiersinger (drüber), Viktoria Pinther und Verena Aschauer (beide gehalten) die Nerven. "Letztes Mal haben alle getroffen, das war außergewöhnlich, dieses Mal haben alle verschossen, so ist der Sport", analysierte Carina Wenninger.

Sie und Burger kamen nicht mehr dran. Mit Ausnahme von Wenninger waren es die selben Akteurinnen, die ein paar Tage zuvor noch unnötige Coolness in der Entscheidung vom Punkt ausgestrahlt hatten. "Sie haben dieses Mal vielleicht mehr nachgedacht, es ging ums Finale", vermutete Thalhammer. Mental könne man Situationen nicht einfach kopieren. "Letztes Mal war es dieses 'Chocking under Pressure', heute eine andere Situation, mit der wir nicht zurecht gekommen sind", so Thalhammer.

Nur drei Schützinnen hatten sich schnell gemeldet, gegen Spanien waren das noch sechs oder sieben. "Es ist schade, aber irgendwie hat es nicht sein sollen. Ich denke, dass wir vom Kopf generell nicht so die Frische gehabt haben", schilderte Feiersinger.

Im Moment der bitteren Enttäuschung versammelte Thalhammer seine Truppe im Kreis um sich, war erstmals als Trostspender gefragt. "Trotz unheimlicher Enttäuschung, weil wir extrem knapp an einem unglaublich großen Erfolg dran waren, haben wir das Positive hervorgehoben. Was jeder Einzelne hier geleistet hat, das war phänomenal, da muss man stolz sein", resümierte der 46-Jährige. "Wir haben ein großartiges Turnier gespielt hat, das muss einfach überbleiben." Doch nicht nur sein auch medial "neu und sympathisch" rübergekommenes Team stimmte ihn zuversichtlich.

"Wenn man hört, dass am Rathausplatz 12.000 beim Public Viewing sind und es geht um Frauenfußball. dann ist es schon gewaltig, was bewegt worden ist", freute sich der ÖFB-Coach. Am Rathausplatz ging auch die letzte EM-Etappe am Montagabend (19.00 Uhr) nach der Rückkehr nach Wien zu Ende - bei einem großen Empfang. "Wir wollen uns dabei bei den Fans bedanken", sagte Torfrau Manuela Zinsberger. Danach gilt es den Schwung in vielen Bereichen in die Zukunft mitzunehmen.

(APA/Thomas Tretzmüller)

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