Die Bilanz des Höhenflugs der ÖFB-Frauen

Jasmin Eder, Virginia Kirchberger, Verena Aschauer
Jasmin Eder, Virginia Kirchberger, Verena Aschauerimago/Revierfoto
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Der Erfolg fußte auf großem Teamgeist und einer starken Defensivleistung, in Sachen Offensive und Kaderbreite gibt es das größte Verbesserungspotenzial.

Der sensationelle Erfolgslauf des Frauen-Fußballnationalteams endete im Halbfinale mit einer 0:3-Niederlage im Elfmeterschießen gegen Dänemark auf dem beachtlichen dritten Platz. Die ÖFB-Frauen nutzten ihre Premiere bei einer Endrunde zu bester Werbung für den Sport, haben mit Einsatz, Leidenschaft und Kampfgeist die Herzen vieler Zuschauer erobert. Die Mannschaft kann sportlich viel aus diesem Turnier mitnehmen, auch ÖFB und die neu gewonnenen Fans sind für eine nachhaltige Weiterentwicklung des Frauenfußballs jetzt gefragt.

+ Teamgeist

Ob bei Interviews oder den offiziellen Videos der Uefa-Homepage, die Mannschaft von Dominik Thalhammer präsentierte sich als nahbare, bodenständige Truppe, die gemeinsam Spaß hat. Die historische Qualifikation und die Wochen der Endrunde haben das Team zusammengeschweißt, dass Lisa Makas nach ihrem Kreuzbandriss gegen Dänemark auf der Bank mitfieberte und ihre Kolleginnen bei der Hymne ihr Trikot hielten, war sinnbildlich für den großen Zusammenhalt.

+ Defensive

Keine Niederlage in fünf Spielen, nur ein Gegentor nach einem Standard gegen Frankreich - die defensive Bilanz der ÖFB-Mannschaft spricht für sich. Die taktische Variabilität zeichnete Österreich aus, am "tiefen Block", also wenn sich Mittelfeldspielerin Sarah Puntigam in die Abwehrkette zurückfallen ließ, bissen sich auch Topnationen wie eben Frankreich oder Spanien die Zähne aus. Selbst der Ausfall von Abwehrchefin Viktoria Schnaderbeck zu Turnierbeginn tat der guten Abstimmung und Organisation im Defensivverbund keinen Abbruch.

+ Fitness

Die Mannschaft war auf den Punkt genau vorbereitet. Alle Spielerinnen agierten am berühmten Tag X in Topform, konnten über fünf Spiele ihr extrem laufintensives Pressing-Spiel durchziehen. Natürlich schwanden auch den ÖFB-Frauen in den Schlussphasen die Kräfte, aber sowohl in den Verlängerungen gegen Spanien als auch Dänemark hatten die Österreicherinnen noch die Kondition oder zumindest den Willen, um weite Wege und Sprints zu gehen.

+ Torfrau

Diese EM-Endrunde hatte einige Slapstick-Tore im Repertoire, Manuela Zinsberger aber zählte mit Sicherheit zu den besten Torhüterinnen im Turnier. Bis auf den Patzer gegen Frankreich, als sie einen Eckball verpasste und das Gegentor kassierte, leistete sich die 21-Jährige von Bayern München keinen Fehler und war in der K.o.-Phase mit etlichen Glanzparaden ein sicherer Rückhalt. In beiden Elfmeterschießen war sie zumeist in der richtigen Ecke, hielt auch je einen Versuch.

+ Aufmerksamkeit

In der Spitze 1,35 Millionen Zuschauern verfolgten das Elfmeterschießen im Halbfinale gegen Dänemark - Rekord für ein Frauenspiel in Österreich und nur knapp hinter dem Topwert der Männer bei der EM 2016 (1,678 Millionen gegen Island). Österreichische Sportfans lechzen nach Erfolgen und unterscheiden hierbei erfreulicherweise nicht zwischen Männern und Frauen. Die große Aufmerksamkeit hat die Spielerinnen natürlich beflügelt, war aber auch absolutes Neuland.

+/- Kopf

Im Viertelfinale gegen Spanien sorgten die lachenden Österreicherinnen im Elfmeterschießen noch für Furore. Allerdings sind auch sie nicht immun gegen den Druck, den die zuvor erwähnte Aufmerksamkeit in der Heimat und die damit gestiegenen Erwartungen erzeugten. Gegen Dänemark war dann die Unbekümmertheit spätestens auf dem Elfmeterpunkt abgelegt, gleich vier verschossene Versuche zeugen davon, dass auch die ÖFB-Frauen nur Menschen mit Nerven sind.

- Offensive

So variabel das österreichische Spiel in der Defensive ausgelegt ist, so durchschaubar ist es in der Offensive: Personelle oder taktische Alternativen zum Gesehenen sind noch Mangelware. So war Nina Burger an vorderster Front oft auf sich allein gestellt und bekam zu selten die Pässe in den Lauf, aus denen sie ihre meisten Tore macht. Laura Feiersinger bewies Pferdelunge und technische Qualitäten, machte aber zu wenig aus ihren vielen Ballkontakten, da sie oft den richtigen Zeitpunkt für Abspiel oder Schuss verpasste.

- Kaderbreite

Nur 16 der 23 Kaderspielerinnen sammelten im Turnierverlauf Einsatzminuten, jedoch kam kaum eine von den Reservistinnen über Kurzeinsätze hinaus. Einzig Nadine Prohaska hatte - bedingt durch die Verletzungen von Makas und Billa - nach ihren Einwechslungen längere Auftritte. Es ist auch bezeichnend, wenn der Teamchef in den zweiten 120 Minuten in Folge vom Wechselkontingent nur zwei statt der erlaubten vier Mal Gebrauch machte. Dies ist natürlich auch der Tatsache geschuldet, dass Österreich den jüngsten Kader aller Endrundenteilnehmer mit den meisten Teenagern stellte und diese noch Zeit brauchen.

? Zukunft

Das große Fragezeichen ist, was von diesem EM-Höhenflug bleibt. Nicht nur das Nationalteam hat sich eine kontinuierliche Berichterstattung (Stichwort Live-Übertragungen) verdient, auch die heimische Bundesliga braucht Unterstützung. Der ÖFB hat diese bei der Suche nach einem zentralen Sponsor versprochen, ebenso wie Maßnahmen, um die Anzahl von Frauenvereinen bzw. Fußball spielenden Frauen und Mädchen langfristig zu heben, um die Basis für die internationale Konkurrenzfähigkeit zu legen. Allerdings wird die Zeit zeigen, ob dies mehr als Lippenbekenntnisse sind. Gefragt sind jetzt selbstverständlich jene Fans, die bei der EM mitgejubelt haben: Sie können das Team schon im Herbst in der WM-Qualifikation weiter unterstützen bzw. den heimischen Bundesligaklubs mehr Zuschauer und damit Sponsoreninteresse bescheren.

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