Ökonomie: Was kostet der Klimawandel tatsächlich?

(c) EPA (Gerardo Mora)
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Der Stern-Report sorgte mit konkreten Angaben über Kosten für Aufregung. Allerdings gibt es Kritik an der Berechnungsmethode. Zudem lassen sich manche Schäden nicht quantifizieren.

Wien. Wie bei vielen Themen sind auch beim Klimawandel die Kosten das entscheidende Moment. So müssen jetzt große Investitionen getätigt werden, um ungewisse Schäden in der Zukunft vermeiden zu können. Denn anders als beispielsweise beim Ozonloch lassen sich beim Treibhauseffekt nicht einfach schädliche Gase (beim Ozonloch: FCKW) durch weniger schädliche ersetzen. Vielmehr muss die gesamte Energieversorgung der Welt von vornehmlich fossilen Brennstoffen auf erneuerbare Quellen umgestellt werden. Nur so kann der Ausstoß von CO2 verringert werden.

Dass diese Umstellung langfristig vollzogen wird, ist unumstritten. Die große Frage ist jedoch, in welcher Geschwindigkeit sie erfolgen muss. Dabei gilt die Faustregel: Je schneller, desto teurer. Je länger jedoch zugewartet wird, desto größer sind die Auswirkungen des Klimawandels und somit auch dessen Schäden. Soll man also lieber jetzt Geld in die Verringerung des Klimawandels oder später in die Anpassung an dessen Auswirkungen stecken?

Der Stern-Report

Die bislang ausführlichste Studie zu den wirtschaftlichen Aspekten des Klimawandels legte im Herbst 2006 der ehemalige Weltbank-Chefökonom Nicholas Stern vor. Er erstellte im Auftrag der britischen Regierung einen rund 650 Seiten dicken Report, der zu ziemlich klaren Aussagen kommt. So könnte die „weltweite Erwärmung zu wirtschaftlichen und sozialen Unruhen führen, die ähnlich schlimm wie die Weltwirtschaftskrise oder die beiden Weltkriege sind“, heißt es in dem Papier. Zudem werden laut Stern die stärksten Auswirkungen in den ärmsten Ländern auftreten, was zu neuen Wanderbewegungen führt.

Die Kosten des Klimawandels werden folgendermaßen beziffert: Allein die direkten Folgen wie Überschwemmungen oder Wirbelstürme werden in den nächsten beiden Jahrhunderten das globale Bruttoinlandsprodukt (BIP) im Schnitt um bis zu sieben Prozent vermindern. Rechnet man indirekte Effekte wie die Ausbreitung von Krankheiten hinzu, verdoppelt sich der Schaden auf 14Prozent. Da eine „unverhältnismäßig große Bürde des Klimawandels“ auf die armen Regionen der Welt entfällt, werden diese stärker gewichtet. Schlussendlich rechnet Stern mit einem Verlust von einem Fünftel der globalen Wirtschaftsleistung.

Er rät daher zu einem schnellen und entschlossenen Handeln. Die Kosten für das Senken der globalen CO2-Emissionen auf ein nachhaltiges Niveau beziffert er mit einem Prozent des Bruttoinlandsprodukts – rund 460 Mrd. Euro. Dies sei zwar „erheblich, aber tragbar“. Am wichtigsten sei dabei, dem Ausstoß von Kohlendioxid einen konkreten Preis zu geben.

Der Bericht sorgte für großes Aufsehen. Vor allem, da er erstmals sehr konkrete Zahlen enthielt. Die britische, die australische und die deutsche Regierung sahen die Ergebnisse als Leitfaden für die notwendigen Investitionen in den Klimaschutz an. Viele Ökonomen stimmten den Ergebnissen zu. Es gibt jedoch auch Kritiker des Berichts. Einer davon ist William Nordhaus, Wirtschaftsprofessor an der Universität Yale.

Fehlende Diskontierung

Nordhaus stößt sich vor allem an der mangelnden Diskontierung der künftigen Schäden. So werden bei wirtschaftlichen Berechnungen künftige Beträge normalerweise abgezinst. Ein Euro, den man in einem Jahr erhält, ist aus heutiger Sicht weniger wert als ein Euro, den man sofort erhält. Gleich verhält es sich bei einem Euro, den man zahlen muss. Stern zinste die zukünftigen Schäden – „durchschnittlich 20Prozent von heute bis immer“ – jedoch mit nahezu null ab. Daraus folgt laut Nordhaus, dass rund die Hälfte der von Stern berechneten Kosten erst nach dem Jahr 2800 eintreten. Ein Zeithorizont, für den seriöse Schätzungen nicht mehr möglich sind, meint Nordhaus.

Von Stern wird eine Diskontierung von Schäden, die künftige Generationen tragen müssen, aus ethischen Gründen abgelehnt. Nordhaus antwortet darauf, dass es auch nicht ethisch sei, die jetzige Weltbevölkerung überproportional stark zu belasten, da künftige Generationen aufgrund des Wirtschaftswachstums ohnehin „reicher“ seien. Er plädiert ebenfalls für Maßnahmen gegen den Klimawandel, allerdings im Rahmen einer „Klimapolitik-Rampe“. So sollten Maßnahmen gegen den Klimawandel über Jahrzehnte sukzessive verstärkt und somit auch die Kosten verteilt werden.

Welche Kosten konkret anfallen dürften, hat die Internationale Energie Agentur (IEA) in ihrem jüngsten Jahresbericht dargelegt. Demnach müssten weltweit zwischen 2010 und 2030 zusätzliche Investitionen von in Summe 10.500 Mrd. US-Dollar (7000 Mrd. Euro) getätigt werden. Allein 3400 Mrd. Dollar davon werden für neue Hybrid- und Elektroautos nötig sein. 2550 Mrd. würden in Gebäude investiert, 1750 Mrd. in neue Kraftwerke. Mehr als drei Viertel des Geldes muss die Menschheit in den 2020ern aufbringen.

Im Gegenzug, so schreiben die IEA-Experten, würden die Energiekosten in Verkehr, Gebäuden und Industrie in Summe um 8100 Mrd. Dollar sinken. Sollten sich die Konsumenten auf eine Änderung der Lebensgewohnheiten einlassen, also etwa kleinere Autos fahren, könnten die CO2-Einsparungen sogar kostenneutral sein, so die Hoffnung der Autoren.

Wert eines Gletschers?

Doch auch die seriösesten Prognosen bleiben letztlich eine Mutmaßung. Außerdem ist das BIP eine umstrittene Messgröße für die Auswirkungen des Klimawandels. Doch auch alternative Indikatoren geraten rasch an ihre Grenzen, wenn sie Verschwinden eines Gletschers oder die Zahl der Sonnen- und Regentage bewerten sollen. Vor allem, wenn ein zusätzlicher Sonnentag der norwegischen Landwirtschaft zu neuer Blüte verhilft, Süditaliens Bauern aber vor ernste Probleme stellt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.12.2009)

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