„Fliegen wird auch künftig billig sein“

Streiks und Flugausfälle kosten Milliarden – Geld, das die Airlines stärken und die Tickets noch billiger machen könnte.
Streiks und Flugausfälle kosten Milliarden – Geld, das die Airlines stärken und die Tickets noch billiger machen könnte.(c) REUTERS (TIM WIMBORNE)
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Der Chef der Airline-Vereinigung A4E, Thomas Reynaert, glaubt nicht, dass durch die Pleiten von Air Berlin und Alitalia neue Monopole entstehen. Dazu sei der Wettbewerb zu hart.

Brüssel/Wien. Michael O'Leary liebt vor allem eines: Wettbewerb. Diesen hat er über die Jahre mit seiner Ryanair kräftig angeheizt und – im Gleichschritt mit anderen Billig-Airlines – dafür gesorgt, dass die Ticketpreise drastisch gefallen sind. Wird das nun anders, wenn Fluglinien wie Air Berlin und Alitalia verschwinden und dadurch neue Schwergewichte in der europäischen Luftfahrt entstehen? „Fliegen wird auch in Zukunft billig sein“, ist Thomas Reynaert überzeugt. „Der Wettbewerb wird hart bleiben, dafür werden schon allein Ryanair und EasyJet sorgen“, ist Reynaert überzeugt.

Der Belgier muss es wissen: Er ist Geschäftsführer der neuen Airline-Vereinigung Airlines for Europe (A4E), zu deren 15 Mitgliedern neben der Lufthansa-Gruppe, Air France/KLM und British Airways/ Iberia auch die beiden Billig-Riesen Ryanair und EasyJet gehören. Reynaert hat also praktisch den Wettbewerb im eigenen Haus. Und er veranschaulicht an einem Beispiel, wie sehr die Konkurrenz dafür gesorgt hat, dass Reisen für jedermann erschwinglich ist: Kostete ein Trip für eine vierköpfige Familie von Mailand nach Paris im Jahr 1992 noch 1600 Euro, so ist er jetzt für 100 Euro zu haben.

Für Skeptiker läuten infolge der Pleiten von Air Berlin und Alitalia die Alarmglocken. Sie glauben, dass die – übrigens seit Jahren von Experten geforderte – Konsolidierung in der europäischen Luftfahrt neue Monopole schaffen könnte. Was eben für die Passagiere negative Folgen hätte, wenn die Ticketpreise erstmals nach Jahren wieder steigen.

„Gemessen an Passagieren ist Ryanair schon die Nummer eins in Europa“, verweist Reynaert im Gespräch mit der „Presse“ auf das Kräfteverhältnis in Europas Himmel, das sich in den letzten Jahren deutlich verschoben hat. In den USA habe die Konsolidierung schon vor Jahren stattgefunden – ohne dass sich der Konkurrenzkampf wesentlich abgeschwächt hätte. Dort sind Traditionsunternehmen wie Pan-Am und TWA verschwunden. Viele Airlines retteten sich zudem unter Gläubigerschutz, danach gab es Fusionen: American mit US Airways, Delta mit Northwest, United mit Continental. Die drei Branchenriesen und Southwest dominieren über 80 Prozent des Geschäfts. Zum Vergleich: In Europa haben die großen Vier nur 46 Prozent Marktanteil.

Nicht die Zahl der Airlines sei für das Angebot ausschlaggebend – davon gebe es nach dem Ausfall von Air Berlin und Alitalia ohnedies noch genügend. „Wir brauchen „gesunde und starke Spieler“, betont Reynaert. Dafür sorgten zum einen die Airlines selbst: Die Wirtschaftskrise und einmal mehr der Konkurrenzdruck hätten sie gezwungen, ihre Kosten unter Kontrolle zu bringen. Viele hätten diese Hausaufgaben gut gemacht, wie sich an den Bilanzzahlen zeige.

Zum anderen gelte es aber auch, für die europäische Luftfahrt Rahmenbedingungen zu schaffen, die sie auch gegenüber Fluglinien anderer Weltregionen wettbewerbsfähig mache. „Die EU hat mit der Öffnung der nationalen Märkte hin zu einem einheitlichen Markt für enormes Wachstum gesorgt“, veranschaulicht Reynaert diese Entwicklung an einem weiteren Beispiel: Vom irischen Dublin aus vervierfachte sich seit 1992 die Zahl der Flüge in die EU auf rund 130. Knapp eine Milliarde Passagiere waren 2015 auf 450 EU-Flughäfen unterwegs.

Gebühren müssen sinken

Jetzt müsse Brüssel auch für faire Spielregeln sorgen. Eine der Hauptforderungen der Vereinigung ist daher – nicht überraschend – die Abschaffung der nur in einigen Ländern vorhandenen Ticketsteuer. „Österreich geht mit der Halbierung ab 2018 den richtigen Weg“, lobt Reynaert. Auch die Flughafengebühren gehörten gesenkt – „immerhin machen sie bis zu 20 Prozent des Ticketpreises aus“. Da vor allem die großen Drehkreuzflughäfen Quasimonopole hätten – „die Airlines können sich ja nicht aussuchen, wo sie landen“ –, fordert A4E, dass die EU hier regulierend eingreift.

Nicht zuletzt geht es um mehr Effizienz bei der Nutzung des Luftraums und dessen Überwachung. Die seit Jahren angestrebte Vereinheitlichung der Kontrollsysteme (Single European Sky) hapere nicht an der Technologie – fast alle Probleme seien gelöst. Vielmehr stünden der Umsetzung nach wie vor nationale Befindlichkeiten und die Angst der Lotsen vor Jobverlust entgegen. Ihre Streiks verursachten in den am meisten betroffenen Ländern Zypern, Belgien, Spanien, Portugal, Italien, Griechenland und Frankreich seit 2006 230.660 Flugausfälle. Die EU setzt die Kosten dafür mit 4,3 Mrd. Euro an.

ZUR PERSON

Thomas Reynaert hat in Antwerpen und Brüssel studiert. Als Topmanager bei Lucent, Nortel und UTC war er für die EU-Beziehungen der Konzerne und regulatorische Belange verantwortlich. Diese Erfahrungen nützen ihm nun als General Manager der Vereinigung Airlines for Europe (A4E), die er seit März 2016 leitet. [ A4E ]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.09.2017)

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