Deutschland: Wackeliger Wirtschaftsaufschwung

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Österreicher investieren gern im Nachbarland, was ihnen auch 2010 Gewinne bescheren könnte. Man muss aber auch mit Gegenwind rechnen.

Die Anleger wollen jetzt ganz genau wissen, in welche Investments sie ihr Geld stecken. Investoren lassen sich nicht so schnell wieder abspeisen mit hochtrabenden Renditeversprechungen exotischer Produkte oder „Top-Aktien-Tipps“ aus Ländern, deren Existenz ihnen bislang nicht geläufig war. Welche – außer österreichische – Aktien liegen da am nächsten? Deutsche natürlich: VW, Lufthansa, Allianz oder Deutsche Post klingen ähnlich vertraut wie Voestalpine, Erste Bank oder Österreichische Post AG. Und wer seit März im Nachbarland investiert war, kann sich freuen: Rund 50 Prozent legte der deutsche Leitindex DAX seit dem Tiefpunkt im März aufs Börseparkett.

Saisonbedingt stellt sich jetzt – wie alle Jahre wieder – die Frage: Kommt sie oder kommt sie nicht, die Jahresendrallye? Für den DAX würde das neuerliche Erklimmen des bisherigen Jahreshochs (5889 Punkte) als Signal für einen kräftigen Anstieg zu Jahresende sprechen. Noch ist es aber nicht so weit, und nicht alle sind überzeugt, dass es heuer einen Jahresendspurt geben wird. Hans-Jürgen Delp vom Private Banking der Commerzbank spricht von einer „vorweggenommenen Jahresendrallye“; denn „trotz Rezession und Finanzkrise sind die Kurse seit März fast immer gestiegen“.

„Vorsichtig optimistisch“, äußert sich Norbert Frey vom Dachfondsmanagement der deutschen Fürst Fugger Privatbank. „Derzeit werden noch eher Gewinne mitgenommen, ich würde mich aber nicht wundern, wenn es eine Jahresendrallye gibt; die große Unbekannte sind die Versicherungen.“ Diese verfügen zu Jahresbeginn meist über große Liquidität, da viele Versicherungsprämien dann als Einmalzahlung in die Kasse kommen. „Zuletzt waren sie kaum investiert“, erklärt Frey. Sollten sie das jetzt ändern wollen, würden erste Tranchen vermutlich noch im Dezember investiert. Dies könnte der entscheidende Impuls für steigende Kurse sein.

Industrie: Auftragsminus

Jüngst veröffentlichte Wirtschaftszahlen ließen zuletzt aber keinen Zweifel daran, dass die deutsche Wirtschaft noch schwierige Zeiten vor sich hat. Die Industrie meldete im Oktober ein Auftragsminus von 2,1 Prozent, Beobachter hatten einen neuerlichen Zuwachs erwartet. In den vergangenen sieben Monaten waren die Aufträge wieder gestiegen, die Zahlen für September wurden gar nach oben revidiert. Das jetzige Minus sei vor allem von den ausbleibenden Auslandsaufträgen verursacht wurden, berichten die Experten des Postbank Research. Die Aufträge der Deutschen selbst waren im Oktober das dritte Monat in Folge rückläufig, hier mache sich das Auslaufen der Abwrackprämie bemerkbar, urteilen die Analysten.

„Wir kommen gerade aus einer Rezession, und 2010 wird ein schwieriges Jahr“, erklärt Delp. „Aber die jetzige Krise kam nach drei bis vier fetten Jahren, und die Erfahrungen aus dem letzten Abschwung von 2002/03 waren noch nicht ad acta gelegt.“ Die Kostendisziplin der Unternehmen sei gut gewesen, die Restrukturierungen seien großteils gelungen, die jetzt wieder steigenden Umsätze fänden vor dem Hintergrund einer starken Kostendisziplin statt. Das gebe Anlass zur Hoffnung, dass die Krise überstanden sein könnte. In den vergangenen Monaten wurden auch die Lager der deutschen Unternehmen immer leerer – der nun einsetzende Lageraufbaueffekt, um wieder Vorräte parat zu haben, wirkt sich positiv aus.

Da die Unternehmen lange Zeit auf der Kostenbremse standen, kommt nun wieder die Zeit, aufgeschobene Investitionen doch noch zu tätigen. Besonders im Technologiebereich sieht Frey Nachholbedarf. Hard- und Softwareanschaffungen seien oft vertagt worden, jetzt gebe es Potenzial, dass diese stattfinden. Und: „Die Technologiewerte haben noch Luft zu den alten Höchstständen“, argumentiert Frey. Dass IT-Service-Unternehmen vor der aktuellen Krise in einer besseren Ausgangssituation waren als beim Abschwung 2002, stellen die Analysten von Sal. Oppenheim fest. Management- und IT-Consulting-unternehmen waren stark von den Einsparungen getroffen, haben mitunter aber auch profitiert. Denn um Kosten zu sparen, haben zahlreiche Unternehmen IT-Leistungen ausgelagert.

Comeback von Solar

In den vergangenen zwei Jahren tief abgestürzt – teils sogar tiefer als Banken und Versicherungen – sind in Deutschland die Unternehmen im Bereich erneuerbare Energie. Böse getroffen hat es etwa die Unternehmen Solarworld, Nordex (Wind) oder den Berliner Solarmodulhersteller Solon. Die Sal.-Oppenheim-Experten sind aber überzeugt, dass die meisten Unternehmen ihre Profitabilität erhöhen, und attestieren den Solar- und Windunternehmen erneute Wachstumschancen. Speziell im Bereich Windenergie heben die Analysten staatliche Unterstützung, bewährte Technologien und wettbewerbsfähige Kosten positiv hervor. Investoren, die in Windenergie investieren wollen, könnten allerdings auch mit einer Siemens-Aktie glücklich werden. Die Siemens-Einheit Wind Power will bis 2012 unter die Top drei der Anbieter von Windenergieanlagen aufsteigen; dieser ambitionierte Plan wurde vergangene Woche verlautbart. Und Siemens kennt eigentlich auch jeder.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.12.2009)

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