Von Freiburg via Florenz zur KHM-Spitze

Eike Schmidt (* 1968), ebenfalls Elfenbeinspezialist wie seine Vorgängerin, Sabine Haag, vor einem Hauptwerk seiner bisherigen Wirkstätte, den Uffizien Florenz: Botticellis Geburt der Venus.
Eike Schmidt (* 1968), ebenfalls Elfenbeinspezialist wie seine Vorgängerin, Sabine Haag, vor einem Hauptwerk seiner bisherigen Wirkstätte, den Uffizien Florenz: Botticellis Geburt der Venus.(c) ALBERTO PIZZOLI / AFP / picturedesk.com
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Mit dem deutschen Elfenbeinspezialisten Eike Schmidt als neuem Generaldirektor hat Kulturminister Thomas Drozda für das KHM eher eine Persönlichkeitswahl getroffen als eine radikal programmatische. Eine akzeptable Lösung.

Als der deutsche Kunsthistoriker Eike Schmidt, 1968 in Freiburg im Breisgau geboren, vor zwei Jahren den Anruf bekam, dass er die Uffizien in Florenz leiten solle, zitterten ihm die Hände, erinnerte er sich in diversen Interviews. Über seine Emotionen, als ihn dann vor wenigen Tagen Österreichs Kulturminister, Thomas Drozda, anrief, um ihm mitzuteilen, dass er ihm das Kunsthistorische Museum in Wien überantworten möchte, darf nur spekuliert werden. Beim Betreten der gestrigen Pressekonferenz im Bundeskanzleramt zitterten ihm aber tatsächlich wieder die Hände, bekannte er freimütig: „Ich bin ganz überwältigt, dankbar und bewegt von dieser Ernennung.“

Schmidt konnte sich am Ende gegen zwei Konkurrenten durchsetzen; der Minister hatte von der internationalen Findungskommission (darunter Chris Dercon, der ehemalige Tate-Modern-Direktor und aktuelle Volksbühne-Berlin-Chef) einen Dreiervorschlag bekommen. Leicht gemacht haben will er sich den Prozess schon zuvor nicht, wie Drozda gestern betonte. Denn er stand vor der prinzipiellen Wahl, den „soliden“ Weg der seit 2009 amtierenden Generaldirektorin Sabine Haag „abzurunden“, also zu verlängern. Oder „eines der wichtigsten Museen bereit für die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts“ zu machen. Er entschied sich für Letzteres. Haag, die sich wieder beworben hatte, erfuhr davon jetzt im Urlaub. Ihr Statement: Sie nehme die Entscheidung zur Kenntnis, werde die nächsten großen Projekte wie die Wiedereröffnung des Weltmuseums, die Rubens-Ausstellung und die Bruegel-Ausstellung 2018 verwirklichen. Und wünsche ihrem Nachfolger und dem Team „eine erfolgreiche Zukunft für dieses wundervolle Haus“.

Respekt und Anerkennung für Haag

Für ihre Arbeit wurde Haag von Schmidt, der mit ihr wiederholt kooperiert hat und sie seit den 1990er-Jahren kennt, wie von Drozda „mit absolutem Respekt und großer Anerkennung“ gewürdigt. Es sei ihr Verdienst und das ihres Teams, dass auf ein „solides Fundament“ gebaut werden könne. Doch Schmidts „ausgeprägter Gestaltungswille“ und sein Konzept hätten ihn überzeugt. Ideen, die dem Museum auch in der digitalen Welt einen herausragenden Rang bescheren sollen – „und ich sage jetzt absichtlich nicht KHM 4.0“, spielte Drozda auf seinen provokanten Sager bei der Präsentation des neuen Staatsoperndirektors, Bogdan Roščić, an.

Das Konzept, in das Schmidt Einblicke gab, hörte sich allerdings weniger nach fundamentaler Neuausrichtung als nach Fortführung der bisherigen Richtung unter einer anderen Persönlichkeit an – was prinzipiell ebenfalls neue Möglichkeiten, intern wie auch in der Zusammenarbeit mit anderen großen Häusern wie der Albertina eröffnen kann. Mit Albertina-Direktor Schröder hat Schmidt zuletzt dieses Frühjahr zusammengearbeitet, als man – gemeinsam mit Minister Drozda übrigens – eine Maria-Lassnig-Ausstellung im Palazzo Pitti eröffnete.

Wesentlich bei Schmidts Überlegungen scheint jedenfalls die Nutzung digitaler Medien zu sein, was er öfters betonte: So wolle er den (bereits bestehenden) digitalen Auftritt des KHM mit einem durchgängigen inhaltlichen Konzept versehen. „Durch die Online- wird auch die Onsite-Erfahrung verändert“, erklärte er. Für viele werde es so erst interessant, die Werke auch im Original zu besuchen. Die Besucherzahl zu maximieren sei allerdings nicht sein Auftrag, vielmehr wolle er das Erleben des Einzelnen vertiefen, was sich übrigens wortgleich auch das neue Belvedere-Direktorat an die Fahnen geheftet hat. Ziel sei auch die Gewinnung neuer „Publika“ – es gebe mehrere, so Schmidt – aus dem In- und Ausland, ein Ziel, das er bereits in Florenz umsetzen konnte. Durch Opernaufführungen in Innenhöfen, Filmfestivals und Vergünstigungen, gab er an. Diesen Besucherstrom dann zu kanalisieren, also auch zu weniger populären Sammlungen und Zweigstellen des KHM wie dem Theatermuseum, „einem Juwel!“, so Schmidt, zu leiten, werde eine seiner Herausforderungen in Wien sein. Sie war es auch schon in Florenz.

Ein weiteres starkes Zeichen, das Schmidt in den Uffizien setzte, prägte schon Haags KHM-Politik: das Hereinholen zeitgenössischer Kunst, „um neue Zugänge zur Kunst der Vergangenheit zu finden“, bekräftigte Schmidt. Haags Zeitgenossenschiene halte er für „absolut richtig“. Ausstellungen wie die von Edmund de Waal und Lucian Freud habe er genossen. Prinzipiell interessiere ihn bei Ausstellungen nicht die „Blockbuster“-Nummer der immer gleichen Namen – „das haben wir alles schon gesehen, da kann man nicht experimentell sein“. Man darf gespannt sein.

Wie Haag kommt übrigens auch Schmidt aus dem Kunstkammer-Bereich, ist ebenfalls Experte für Elfenbein. Seine Dissertation schrieb er einst in Florenz über das Elfenbein der Medici. Um dann in die USA zu gehen, an der National Gallery Washington, dem Getty in L. A. und dem Minneapolis Institute of Arts zu arbeiten. Jetzt zieht es ihn nach Wien. In der zweiten Jahreshälfte 2019 muss er angekommen sein. Sein Uffizien-Vertrag erlaube keinen früheren Beginn, so Drozda. Haag, deren Vertrag schon Ende 2018 endet, habe sich aber zu einer Übergangslösung bereit erklärt. So geht sie, wie sie regiert hat, der Sache verpflichtet und verbindlich.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.09.2017)

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