Nordkorea-Konflikt

Wie Südkorea Kim Jong-un ausschalten will

Südkoreanische Spezialeinheit beim Training.
Südkoreanische Spezialeinheit beim Training.(c) Reuters
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Die Regierung in Seoul stellt sich auf den Ernstfall ein: Sie bestätigte den Aufbau einer Spezialeinheit, die Nordkoreas Führung im Falle eines Konflikts eliminieren soll. Mit den USA sind Waffendeals in Milliardenhöhe geplant.

Seoul/Tokio. Wie soll die Staatengemeinschaft auf den neusten Atomtest Nordkoreas reagieren? Dem Ansinnen westlicher Staaten, neue Sanktionen zu verhängen, erteilte der russische Präsident am Dienstag eine klare Absage. Eine „Intensivierung der militärischen Hysterie“ könnte in eine „globale Katastrophe“ münden, warnte Wladimir Putin bei einem Besuch in China. Es gebe nur einen Weg: Dialog. Dagegen ist nicht nur Washington mit seiner Geduld so gut wie am Ende. Auch Südkorea geht gegenüber Pjöngjang zunehmend in den Angriffsmodus über. Wie die englischsprachige Zeitung „The Korea Herald“ am Dienstag berichtete, soll eine Spezialeinheit gegründet werden, deren einzige Aufgabe es ist, „Nordkoreas Kriegskommando- und Kontrollsystem zu neutralisieren und die Führung des Regimes, einschließlich Kim Jong-un, zu eliminieren“.

Die Sondereinheit soll eng mit US-Spezialkräften wie den Seals der US-Navy kooperieren, die bereits Terroristenchef Osama bin Laden getötet haben. „Wir sind jetzt in der Phase der Konzipierung“, bestätigte Verteidigungsminister Song Young-moo den Bericht. „Ich glaube, wir können eine solche Enthauptungseinheit bilden und bis zum 1. Dezember operationsfähig machen.“

Laut dem Blatt ist der Plan Teil einer Strategie, Pjöngjang im Falle eines nordkoreanischen Nukleargriffs mit ballistischen Raketen und Marschflugkörpern gefechtsunfähig zu machen. Zudem sollen konventionelle Waffensysteme Raketenabschussrampen, Nuklearanlagen und unterirdische Kommandostände zerstören. Präsident Moon Jae-in wird mit den Worten zitiert, „es ist jetzt entscheidend, machtvolle und praktische Maßnahmen zu ergreifen, damit Nordkorea die Folgen seines Handels realisiert“.

Seoul rüstet massiv auf

Dazu gehört die zwischen US Präsident Donald Trump und Staatschef Moon beschlossene Aufhebung der Nutzlast-Begrenzung für südkoreanische Raketen. Seit 2001 galt eine Obergrenze von 500 Kilogramm. Zudem wird die Reichweite der Geschosse von bisher 800 Kilometern deutlich erhöht, damit jedes Ziel in Nordkorea getroffen werden könnte, teilte das Präsidialamt mit.

Um sich gegen künftige Attacken aus dem Norden zu schützen, leitet Seoul zudem einen beispiellosen Aufrüstungskurs ein. Wie das Büro von Staatschef Moon bestätigte, sollen schnell Rüstungsgüter für „mehrere Milliarden Dollar“ in den USA gekauft werden. Trump habe dafür bereits seine prinzipielle Zustimmung erteilt. Laut dem Stockholmer Sipri-Institut haben die USA von 2001 bis 2016 Rüstungsgüter im Wert von fast fünf Milliarden Dollar an ihren Verbündeten Südkorea geliefert. Damit war Seoul der viertgrößte Käufer von US-Rüstungsgütern.

Die neue Härte der Führung Südkoreas erklärt sich durch die Angst vor neuen Raketentests. Laut dem National Intelligence Service (NIS) verlegt Pjöngjang offenbar seit Montag eine Interkontinentalrakete an seine Westküste. Der Transport erfolge nachts, um größtmögliche Tarnung zu sichern. Seoul geht davon aus, dass ein neuerlicher Test um den nordkoreanischen Nationalfeiertag und das Gründungsjubiläum der kommunistischen Partei am 9. und 10. September erfolgen könnte. Zur Abschreckung wurden die Streitkräfte Südkoreas in einen Manöverzustand versetzt, der die ganze Woche über anhalten soll. Die Militärübungen wurden auf das Meer ausgedehnt. Unmittelbar nach dem angeblichen Test einer nordkoreanischen Wasserstoffbombe hatte Seoul Raketenmanöver befohlen. Dazu gehören simulierte Angriffe auf die Atomanlagen des Kim-Regimes.

Der bisher auf politische Aussöhnung mit Pjöngjang bedachte links-liberale Staatschef Moon Jae-in gerät immer mehr unter Druck, die Wende einzuleiten. An seine Adresse gerichtet giftete US-Präsident Trump per Twitter: „Südkorea findet jetzt heraus, dass das Appeasement-Gerede mit Nordkorea nicht funktionieren wird. Die verstehen nur eine Sache!“ Moon, dessen Dialogofferten bisher von Diktator Kim brüsk abgelehnt wurden, hat lange gezaudert, bis er der verstärkten Stationierung von US-Abfangraketen in Südkorea zustimmte. Am Montag fiel nun die Entscheidung, weitere vier dieser THAAD-Batterien aufzustellen. Zur Stärkung der Verteidigungskraft ist Seoul auch bereit, den USA zu gestatten, wieder strategische Waffen auf der Koreanischen Halbinsel zu stationieren, die 1991 als Geste des guten Willens gegenüber Nordkorea abgezogen worden waren.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.09.2017)

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