Zehn Ziele für zehn Jahre

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Welche Städte, Regionen und Länder könnten oder sollten Sie bald besuchen? Eine Vorschau auf die Zehnerjahre: Destinationen, die sich im Aufschwung befinden, die Neues bieten oder die einfach nur schön sind. Damit Sie dort waren, bevor die Masse hinschwappt.

Ost-Sri-Lanka

Wo sieht man Leoparden, wenn nicht hier? Ist ein Bürgerkrieg dann zu Ende, wenn ihn die Regierung beendet? In Sri Lanka sieht es fast so aus. Jedenfalls endet nun die Epoche der Reise­warnungen, und das unerschlossene Ostgebiet ist wieder geöffnet. Beträchtliche Hotelkomplexe sind in Planung, aber bis es so weit ist, hat sich ein Zeitfenster für Entdecker geöffnet. Daher wird die Ostküste mit ihren Kleinunterkünften zu den Hotspots des neuen Jahrzehnts gehören. Argugam Bay ist ohnehin längst der Surftipp der Zukunft, da die Wind- und Wasserverhältnisse durchgehend alle Schwierigkeitsgrade bieten. Beim Yala-Nationalpark handelt es sich wiederum um den Ort mit der höchsten Leopardendichte der Welt – das am unwahrscheinlichsten in freier Wildbahn treffbare Tier ist allgegenwärtig, aber trotzdem immer schnell weg. Der Inselstaat komplettiert sich jetzt; im Gegensatz zum gut erschlossenen West-Sri-Lanka ist nicht der Winter, sondern der Sommer die ideale Reisezeit.

Bazaruto/Quirimba-Inseln

Mozambique, wie’s fast keiner kennt. Lange galt der weiße Sandstrand als Nonplusultra. Mittlerweile wird das Sandvokabel „weiß“ für ­alles Hellgelbe, also inflationär, verwendet – daher ­haben sich findige PR-Leute rosa Strände ausgedacht. Und es schimmert wirklich rosa! Der erste war Harbour Island auf den Bahamas, neuerdings zieht die pinke Linie auch am Rand von Afrika vorbei. Mozambiques Erholungsdorado ist der Archipel von Bazaruto, nicht weit von der Kleinstadt Vilankulo, direkt vor dem Kontinent. Die sechs ­Inseln – Bazaruto selbst, die größte, genießt seit fast vierzig Jahren Nationalparkstatus – bieten ­alles, was Tropenidyll und Winterdestination charakterisiert: hohe Dünen, versteckte Lagunen, ein drei Kilometer langes Riff, nette Seekühe, die hoffentlich bleiben, wenn der In-Faktor in den nächs­ten Monaten bis Jahren steigt. Wem Bazaruto zu mainstreamig ist, besucht einfach die nördlich gelegenen Quirimbas: 32 Koralleninseln. Die Ex- Kolonialinsel Ibo stellt den einzigen Kulturhöhepunkt des Archipels dar.

Dominica

Hier wird man hundert Jahre alt. Eine unwahrscheinlich grüne Landschaft, mit Regenwald, wilden Obstbäumen und einem quellenreichen Bergkamm, aus dem klare Gewässer an die Küsten strömen. Der kleine Karibikinselstaat, der fatalerweise gerne mit der Ballermann-­Destination ­Dominikanische Republik verwechselt wird, kämpft um seine Besucher. Die kommen meist mit der Fähre aus dem nahe (drei Stunden Fahrt) gelegenen Guadeloupe. Und es lohnt sich – die Lüfte Dominicas sind so milde, dass es hier den weltweit höchsten Anteil an Hundertjährigen gibt.

Die ehemalige britische Kolonie ist umgeben von sauberen Stränden, und im Reservat Carib Territory begegnet man den letzten 5000 Ureinwohnern der Karibik, den – folgerichtig – Kariben, die ums Überleben ihrer Kultur kämpfen. Cassava-Fladen am Straßenrand, mildes Klima, großartige Regenbögen. Wer einmal in Dominica war, möchte wiederkommen.

Neuseeland

Dauerbrenner zwischen Tropen und Hochgebirge. Wer sich im Winter drei oder vier ­Wochen Zeit nimmt, kann bei unseren ­Antipoden eine Art gegenteiliges Österreich kennenlernen – beruhigenderweise mit Maori statt ­Österreichern. Die Landschaft spielt alles zwischen Tropen, ­Alpenvorland und Hochgebirge, bietet Höhlen, saftige Wiesen, reißende Flüsse und türkise Lagunen. Außerdem existiert mit Australien (OZ) ein ebenso übermächtiger großer Bruder. Die wärmere Nordinsel mit ihrer multikulturellen Hauptstadt Auckland, geprägt von koreanischer Esskultur und erbaut auf mindestens sieben Vulkanhügeln, steht in gesunder Rivalität zum britisch coolen Christchurch (Südinsel) mit seiner hohen Augenbraue. Vielleicht wurde auch deshalb Wellington lachender Dritter und Hauptstadt. Doch die Städte interessieren bei dieser vielfältigen Naturdestination, in der die Schafs- die Menschenpopulation weit übertrifft, am wenigsten. In NZ gilt: einen Wagen mieten und losfahren, der Rest ergibt sich schon!

Timor-Leste

Junger Medium-Rare-Staat mit überwältigendem Charme. Erst 2002 hat Timor-Leste, Osttimor, die Unabhängigkeit von Indonesien durchgesetzt. Noch ist der Geheimtipp nur von Bali oder Darwin aus anfliegbar. Der junge Staat, der sich die Insel mit Westtimor teilt, ­bemüht sich mit beträchtlicher Energie, seine Geburtskrise zu überwinden. Vielerorts fehlt es an allem, die touristische Infrastruktur ist – vorsichtig ­gesagt – ­unvollständig, doch gerade in seiner Medium-Rare-Form besitzt Timor-Leste jene Ingredienzien, die Bali einst zu einer Traumdestination machten: viel Sonne, viel Sand, keine radikale ­Religion, lockere Leute.

In der Hauptstadt Dili parken zwar weiterhin die UNO-Jeeps, aber die Lage in den portugiesisch-indonesischen Kolonialdörfern und unterhalb der bizarren Bergwelten bleibt jetzt stabil. Wer es ­besonders abenteuerlich mag, nimmt die Fähre zur Exklave Oecussi-Ambeno, die zurzeit nur über Luft und Wasser erreichbar ist. Fruchtbarer schwarzer Vulkanboden, hohe Bergrücken, Reisfelder in den Ebenen. Dafür kein Fernsehen, kein Handyempfang, kein zweistöckiges Haus, kein ­Internet, keine Bank und nur ein einziges Hotel-Res­taurant.

Island und Grönland

Einmalige Win-win-Situation im hohen Norden. Vorbei die Zeiten, als man in Reykjavík kein Abendessen unter 40 Euro bekam. Die Wirtschaftskrise platzierte eine Nadel in den Luftballon: schlecht für die Isländer, deren Krone um mehr als die Hälfte abgewertet wurde. Besucher haben nichts davon außer billigerem Bier, denn die Preise um den Gletscher Vatnajökull und die original Geysire, die Ahnen aller Springwässer, wurden nach oben hin angepasst, wie es so schön heißt. Trotzdem: Das ­Interesse am Saga-Trail ist ungebrochen, einem Kreuzweg der Islandsagen aus der ­Pioniersepoche. Und der ist zu jeder Jahreszeit ­interessant, selbst im seltsam stillen ­Dezember, in dem sich das ­Leben traditionell verlangsamt. Die zärtlich-brutalen Kämpen und Recken, die auf ­ihrer Metzeltour so nebenbei das Eishockey erfanden, kann man bei Nobelpreisträger Halldór Laxness nachlesen. In „Die glücklichen Krieger“ ­beschreibt er unter ­anderem ­einen ­Reckenbesuch bei den Inuit in Grönland. Das Land der Erfinder des Kajaks („­Eskimorolle“), ­gehört ­nominell zu Dänemark, die Hauptstadt Nuuk ist aber ideal über Reykjavík zu ­erreichen, aber auch nicht güns­tig. Eine Besichtigung des ewigen Eises vor seiner Schmelzung wird zu den angesagtesten Trips der Zehnerjahre gehören.

Wüste Namib/Namibia

Die orangen Wüstenpyramiden aus der Bierwerbung. Auf der weltweiten Landkarte des Tourismus ist Afrika von weißen Flecken übersät. Zu viele Staaten existieren gar nicht (Somalia) oder haben massive Imageprobleme (­Ruanda, Sim­babwe, Sudan). Der wenig erforschte Mutterkontinent bietet jedoch tausende unentdeckte Kleinlandschaften, und etliche von ihnen sind leicht zu bereisen. Zum Beispiel Namibia: ein weites, ­offenes, leeres Land mit der Hauptstadt Windhoek, die irgendwie an St. Pölten erinnert – und das ist als Kompliment gemeint. Nicht nur Safaris sind hier möglich (z. B. in der Etoshapfanne) oder ­Exkursionen in die Welt eines untergegangenen deutschen Kolonialreichs (das Städtchen Maltahöhe mit seinem legendären Aufkleber „Maltahöhe ist nicht der Arsch der Welt – aber man kann ihn schon sehen“), sondern auch Exkursionen in die Wüste Namib (Betonung auf der ersten Silbe), namentlich zu den orangerotgelben ­Dünen von Sossusvlei, bekannt aus Auto- und Bierwerbung. Sie sind über 300 Meter hoch, bequem ­besteigbar und besonders in den Morgenstunden ein ­unglaubliches Spektakel.

Samarkand/Usbekistan

Persische Kultur in Zentralasien. Mittlerweile hat es sich herumgesprochen, dass Zentralasien, sieht man von Turkmenistan ab, recht unkompliziert zu bereisen ist. Usbekistan gilt als das westlichste dieser Länder und ist zudem ­neben Liechtenstein das einzige Binnenland, das ausschließlich von Binnenländern umgeben ist. Von den usbekischen Städten hat Taschkent den höchsten Urbanitätsfaktor und Buchara mit dem Labi Hausz den gemütlichsten Platz, doch nur ­Samarkand steht für die Seidenstraße und den rätselhaften, unermesslichen Zauber des Orients. Von Unholden wie Dschingis Khan und Tamerlan geprägt, besitzt Samarkand eine sakrale Architekturkomposition, um die es die Welt beneidet: den Registan, einen Märchenplatz gigantischen Ausmaßes, mit seinen drei türkisblauen Medresen. Niemand, der dort je gestanden ist, würde die Reise, und sei sie noch so beschwerlich gewesen, für unnütz halten. Die große unentdeckte Kulturdestination, das Weltwunder, von dem niemand spricht. Und der Rest der Stadt? Schattige Alleen, nette Cafés, verborgene Hinterhöfe.

Lima/Peru

Stadtautobahnen und das Sushi des 21. Jahrhunderts. Lima, Monument lateinamerikanischer Stadtkultur. Abschreckend? Klar, auf den ersten Blick. Eine uncharmante Halbautobahn verbindet das historische Zentrum mit der meernahen Luxusvorstadt Miraflores, und von den Micros (Kleinbusse) wird behauptet, dass man in ihnen Schlafwagenkarten lösen muss, so weitläufig wirkt die urbane Topographie. Doch Lima wartet mit der trendigsten Küche des Kontinents auf, die gerade von den USA aus die Welt erobert, mit Anticuchos-Spießen, dem Klassiker Lomo Sal­tado, besonders aber Ceviche, dem in Limettensaft marinierten Fisch, der Sushi den Rang ablaufen könnte. Das Essen des 21. Jahrhunderts wird an jeder Straßenecke frisch zubereitet – die ­Marinierung dauert zehn Minuten! Starkoch Gastón Acúrio steht für den Aufstieg der Lima-­Küche, der das Inkaland, bisher meist durch ­Machu Picchu in den Tourismus-Headlines, von seiner genussvollen Seite ­bekannt machen soll. Hinter Miraflores mit seinem Nachtleben und dem wuselnden Parque Kennedy donnert der kühle Pazifik an Strände wie Barranco und Chorillos. Und von einem hohen Felsvorsprung springt ein echter Mönch alle zehn Minuten ins Wasser.

Xi’an/China

INFO

Die beste Mauer innerhalb Chinas. Shanghai wird allmählich so etwas wie Dubai, aber niemanden scheint es zu stören. Man liest mit Staunen die Siegesmeldungen: Das romantische, alte Asien wird abgerissen! Wo aber ist China noch gut und alt? Tausend Jahre lang war Xi’an Hauptstadt des Reichs der Mitte: imposant seine unversehrte Stadtmauer von knapp 14 Kilometern, über die man mit Leihfahrrädern rasen kann (Dauer: 100 Minuten). Sie umfasst die gesamte Innenstadt. Der Reiz Xi’ans liegt in der Mischkulanz – Fleischspieße in den Gassen des verwinkelten muslimischen Viertels, die chinesischste Moschee der Welt, endlose Shoppingboulevards mit chinesischen Copy- und Eigenmarken, Tempel und Mopedläden. Tolle Reiseführerorte gibt es auch: den Trommelturm, in dem man selbst trommeln kann, den außergewöhnliche Glockenturm („Bell Tower“) und schließlich, eine Busfahrt entfernt, Chinas Weltwunder, die Terrakottaarmee mit ihren 8.000 ausgegrabenen lebensgro­ßen Kriegern in einer überdachten Halle von 14.000 Quadratmetern.

Timor-Leste, Jungstaat auf der Insel Timor. www.turismotimorleste.com

Fast unbekannt: Bazaruto und die Quirimba-Inseln. www.moztour.com

Island: durch die Plattentektonik bedroht. www.icetourist.is

Namibia: plakative Sanddünen und ­ (Groß-)Viecherln. www.namibia-tourism.com

Usbekistan (l.): www.uzbektourism.uz/en

Lima/Peru www.peru.info

Xi’an: China noch relativ ursprünglich. www.cnto.org

Stangenfischer vor Sri Lanka. Tobias Bandara von Sri Lanka Tourism in Frankfurt freut sich über jeden Anruf (0049/89/23 66 21 11). www.srilanka.travel

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