Venezianisches Idyll

Unter Pinien und Akazien – bis jemand die Höllenmaschine anwirft.

Die Villa stammt aus dem Jahr 1930, eines der vielen prachtvollen Gebäude aus dem Goldenen Zeitalter des Lido di Venezia. Hierher sind wir vom Strand geflüchtet, weil es dort zu heiß ist und die Chinesen zum Skypen in ihre Smartphones brüllen, wenn sie sich selbst nichts mehr zuzubrüllen haben.

Im Garten des ehrwürdigen Hauses, beschattet von Palmen, Pinien, Zypressen und Akazien, lässt es sich in der brütenden Augusthitze gut aushalten. Allerdings – kein Idyll, das sich nicht mühelos zerstören ließe. Fegte man früher die Wege vom Abwurf der Bäume mit ein paar gezielten Besenschwüngen frei, hat man in den modernen Zeiten, in denen wir leben, ein viel besseres Instrument ersonnen: den Laubbläser. Gegenüber einem Besen in seiner archaischen Einfachheit hat der Laubbläser unbestreitbaren Mehrwert zu bieten. Nicht, dass er die Wege schneller oder effektiver frei bekäme, doch kann er dies unter maximaler Lärmbelästigung bewerkstelligen, zudem ergibt sich der Vorteil, dass der plärrende Zweitaktmotor stinkende Abgase produziert. Wie soll ein Feger, der weder über einen Benzintank verfügt noch geölt werden muss, mit den Errungenschaften der Baumarktindustrie mithalten?

Mehrmals am Tag wird die Höllenmaschine angeworfen, um uns an den Segnungen des Fortschritts teilhaben zu lassen. Wie die Waschmaschine, die ungefragt nervend piepst, und der Herd, dessen Bedienung eine eigene Programmierlogik voraussetzt. Klar, das Ganze verbinden wir dann noch mit dem Internet, damit russische Cyberterroristen unsere Kühlschränke kapern können. O sole mio!

timo.voelker@diepresse.com


Nächste Woche:
Oliver Grimm

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.09.2017)

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