18. September

Viele Ameisen, schlimme Kinder und grüne Niederlage

Guten Morgen! Peter Pilz verdiente fast Mitleid. Er musste tatsächlich am Sonntagvormittag in der Runde der nicht im Parlament vertretenen, aber bei den Nationalratswahlen antretenden Parteien in der ORF-Debatte Platz nehmen. Er erinnerte dabei an einen pubertierenden Jugendlichen, der bei der Familienfeier gerade erfahren hat, dass er nicht bei den Erwachsenen, sondern bei den Kleinen am Kindertisch sitzen muss. Und ihnen beim Essen, also beim Schneiden mit dem Messer, helfen muss. So gemein.

Pilz beklagte sich bitterlich, betonte, dass er gewählter Mandatar sei, und zitierte das ORF-Gesetz. Darin steht zwar nichts von einer Pilz-Notwendigkeit in den Duellen und der Elefantenrunde, aber egal. Und selbst wenn der ORF mit der Nichteinladung Pilz schadet und so Grünen und wohl auch der SPÖ hilft, gibt es mit den Neos quasi einen Präzedenzfall. Sie durften beim vergangenen Antreten auch nicht . . .

Inhaltlich blieb die Diskussion inhomogen, um es vorsichtig zu formulieren. Frank Stronach war eigentlich gar nicht so schlecht damals. Roland Düringer, der irgendwann einmal als Kabarettist auf die falsche Spur gekommen sein muss, und Peter Pilz schienen irgendwie einen Draht zueinander zu finden. Alte grantige graue Männer erkennen und schätzen einander.

Zynisch nennt man eine solche Diskussion übrigens Ameisenrunde – im Gegensatz zur Elefantenrunde. Das ist vor dieser Wahlauseinandersetzung nicht ganz fair. Denn es gibt mit Sebastian Kurz, Christian Kern und Heinz-Christian Strache drei Spitzenkandidaten von Parteien, von denen mit ziemlicher Sicherheit zwei die nächste Regierung bilden werden. Also nur drei Elefanten.

Die zwei Oppositionsameisen Grüne und Neos kämpfen hingegen de facto mehr (Grüne) oder weniger (Neos) verzweifelt ums Überleben. Für eine Regierungsbeteiligung stehen die Chancen sehr schlecht. Beide Parteien schließen eine Koalition mit der FPÖ aus, also etwa die Teilnahme an Rot-Blau gegen einen Wahlsieger ÖVP. Eine Fortsetzung der Koalitionen zwischen SPÖ und ÖVP, beziehungsweise umgekehrt, ist erstens nicht sehr wahrscheinlich und zweitens für die Kleinen irrelevant, einen komplizierten dritten Partner braucht keiner. Eine Ampel- oder Magenta-Grün-Schwarz-Koalition wird sich am 15. Oktober kaum ausgehen, auch wenn Matthias Strolz und die halbe Neos-Liste schon über mögliche Ministerien sprechen. Danke, Peter Pilz - der das mit seiner Liste noch unwahrscheinlicher gemacht hat. Zur Strafe geht es zur nächsten TV-Runde mit Barbara Rosenkranz.

Ich wette, mehrere geschätzte Neo-Twitter-Ritter werden auf diese Zeilen böse reagieren, aber das kleinste Kind, der Nachzügler, darf sich immer viel mehr herausnehmen als die großen. Tal Silberstein als Berater? Das war doch nur die SPÖ! Eine etwas diffuse Linie in der Flüchtlingsfrage (bitte nicht zu viele im Land, aber das bitte geschmeidig und edel regeln)? Klingt auch nach Christian Kern! Beleidigte Reaktionen auf jede noch so kleine Kritik? Ich sagte doch: Kern! Neos dürfen das alles.

Aber: Ohne Neos und Grüne wäre die Innenpolitik sehr, sehr viel ärmer und ein Drei-Parteien-Parlament keine gute Option für Österreich.

An diesem Wochenende erlitten die Grünen übrigens eine katastrophale Niederlage. Der Hamburger Bezirk Altona stimmte über den Bau eines betonierten Fahrradwegs auf dem schönen wilden Elbesandstrand ab, wie ihn die Grünen forderten. Mehr als 80 Prozent lehnten das ab. Die Siegesparty der gallischen Natursandbefürworter in der Strandperle in Övelgönne war ziemlich ausgelassen. Das nur so als kleine Wochenendgeschichte, Maria Vassilakou.

Hier noch ein wirklich lesenswerter Leitartikel von Florian Asamer über die Halbwertszeit unserer Helden am Beispiel Marcel Kollers und augenscheinlicher Parallelen in der Politik. Ja, Django? Kern? Kurz?

Morgen erzähle ich Nachrichten aus dem Innenleben der Sozialdemokratie – ja, das gibt es noch. Plus Buchtipp und etwas, was gegen eine Minderheitsregierung spricht. (Viel.) Schönen Montag!

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