Gegengift

Der Falter und sein plattes Wortspiel mit "Neofeschist" Sebastian Kurz

(c) Cover Falter
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Eine ältere Erklärung des Wortes: Fesch und Faschismus ergaben den Feschismus. Ist das nun ein Fall für den Presserat, greiser Grant oder Ironie?

Der „Falter“ hat offenbar Probleme, das Ergebnis der Nationalratswahlen vom Sonntag ohne Zorn und Eifer zu verarbeiten. Wie sonst kann man sich erklären, dass dieses linksalternative Wiener Wochenblatt den relativen Wahlsieger Sebastian Kurz von der Ex-ÖVP als Aufmacherfoto wählt und über seiner Stirn „Der Neofeschist“ titelt? Für jene, denen dieses platte Wortspiel zu wenig deutlich ist, fügte man als Beipacktext im Stile einer Riefenstahl-Saga hinzu: „Fesch und siegreich – Sebastian Kurz hat die Bewegung, die Kraft, den Willen. Armin Thurnher über die Rückkehr eines Phänomens.“

Was aber will der ehrenwerte Herausgeber und Chefredakteur mit dieser Wendung zum Ausdruck bringen, die er seit vielen Jahren vor allem im Umgang mit FPÖ-Politikern gelegentlich gebraucht, wenn er sittlich erregt ist? Ist es greiser Grant oder Ironie?

Letzteres wohl kaum, denn im April 2016, mitten im Wahlkampf zur Bundespräsidentschaft, erklärte Thurnher im Interview mit der „Süddeutschen Zeitung“ ganz genau, was er mit dem „Feschismus“ meint: „Das war auf Jörg Haider und seine Entourage geprägt. Haider kokettierte fortwährend mit Anspielungen auf den Nationalsozialismus, die er jedes Mal sofort zurücknahm. Mit diesem Katz-und-Maus-Spiel hat er seine Nazi-Altwähler angesprochen. Zugleich gab er sich das Image eines Popstars.“ Das aber wäre gefährlich. Dieser Starkult sei „extrem mode- und körperbetont, nackter Oberkörper, Sonnenbräune . . . Fesch und Faschismus ergaben dann den Feschismus.“

Ein Fall für den Presserat?

Die Zusammenfalterei in Thurnhers Kommentar scheint simpel: Der Schoß ist fruchtbar noch. Auf Hitler und Haider folgt jetzt Kurz als „Unser Neofeschist. Das Knabenwunder des Wunderknaben.“ Dessen Erkenntnis laute: „Mit humanitären Flausen gewinnen wir keinen Blumentopf.“ Unterstellt wird Kurz der Hang zu Autoritarismus, seine ignorante Gefolgschaft brauche die Ziele gar nicht zu kennen. Et cetera. Aufmachung und Rhetorik könnte der Betroffene als beleidigend, herabwürdigend, wenn nicht sogar als hetzerisch empfinden. Ein Fall für den Presserat? Man sollte vielleicht nicht so selbstgerecht streng wie ein seit 40 Jahren der Verbesserung Mitteleuropas dienender Vertreter stets ephemer-alternativen Zeitgeistes sein.

Wären wir ebenfalls Revolutionswächter des politisch Korrekten, würden wir vielleicht besorgt schreiben: „Thurnhers schwüle Feschismus-Fantasien begeistern willige ,Falter‘-Boys.“ Machen wir ungern. Vielleicht war die Frustration dieser Herrenwitz-Runde nach dem Wahltag eben so groß, dass ihr einfach nichts Originelles einfiel. Sie kann einem deshalb nur leid tun.

E-Mails an: norbert.mayer@diepresse.com

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