Bitte um Schutz bedrohter Journalistin: „Ich wurde ausgelacht“

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Die ehemalige OSZE-Beauftragte Dunja Mijatović fordert mehr Schutz für Journalisten und Journalistinnen. Und Medienexpertin Mirjana Tomić erzählt der „Presse“, wie ökonomischer und politischer Druck ihren früheren Arbeitgeber „El País“ gefügig gemacht haben.

Viel wird derzeit über Medienfreiheit diskutiert, über Gefahren, denen Journalisten ausgesetzt sind: Anfeindungen, Drohungen, körperliche Angriffe, Mord. Auch beim Journalistinnenkongress am Dienstag in Wien waren wirtschaftlicher und politscher Druck, auch Gewalt gegen Medienvertreterinnen ein Thema – so auch ihr Schicksal: das von Daphne Caruana Galizia, einer kritischen Journalistin, die Mitte Oktober in Malta ermordet wurde. Innerhalb der EU. „Ich bezweifle, dass alle, die in Europa von Demokratie sprechen, wirkliche Demokratie meinen. Aber wie sollte man über Pressefreiheit sprechen ohne Demokratie?“, fragt die Politikwissenschaftlerin und Journalistin Mirjana Tomić im Gespräch mit der „Presse“.

„Wie zerbrechlich die Medien-Demokratie ist, sieht man an ,El País‘“ – für die Zeitung war Tomić einst als Kriegs- und Krisenberichterstatterin in Jugoslawien, Rumänien, Albanien und Mexiko im Einsatz. „,El País‘ wurde gegründet, als Spanien eine Demokratie wurde, es war eine der wenigen Zeitungen, die weltweit einen tollen Ruf hatten – es ging immer nur um Qualität.“ Doch mit der wirtschaftlichen Krise kam der Abstieg: „Vor zehn Jahren wurden alle Journalisten über fünfzig gefeuert, es gab ein hartes Sparprogramm.“ Ihre einstmalige journalistische Heimat sei gefügig geworden statt objektiv zu berichten: „In der Katalonien-Krise hat sich ,El País‘ auf die Seite der spanischen Regierung geschlagen, laut Aussagen von Kollegen aufgrund von politischem Druck.“

Drei Mal so viele Angriffe auf Frauen

Frauen sind gefährdeter als ihre Kollegen: Laut OSZE werden Journalistinnen drei Mal so oft angegriffen wie männliche Kollegen. „Und sie werden doppelt geschmäht: wegen ihrer Arbeit und weil sie Frauen sind“, sagt die ehemalige OSZE-Beauftragte für die Freiheit der Medien, Dunja Mijatović – und zitierte Postings: „Ich werde dich vergewaltigen.“ Auch bei Galizia starteten die Attacken mit Beschimpfungen und Drohungen im Internet und auf sozialen Medien. Das sei so schlimm gewesen, dass sie die maltesische Regierung als OSZE-Zuständige aufforderte, Galizia zu schützen, so Mijatović. „Ich wurde ignoriert. Ich wurde ausgelacht.“ Der Appell war vergeblich. Sicherheit gibt es in vielen Ländern keine. Laut aktuellem Bericht der Unesco sind 2006 bis 2016 weltweit 930 Journalistinnen und Journalisten getötet worden. Lediglich zehn Prozent der Fälle wurden aufgeklärt. Mijatović fordert daher Politik, Medienhäuser und Journalistenorganisationen auf, Journalisten besser zu schützen.

Und was rät Tomić bei ihren Workshops zum Thema Auslandsberichterstattung beim Forum Journalismus und Medien Wien (Fjum)? „Man muss den lokalen Kontext verstehen – und sehr gute Kontakte haben. Die Medien schicken junge Leute ohne jeden Schutz in Kriegsgebiete. Ich rate ihnen: Macht Euch die richtigen Freunde. Leute, die Erfahrung haben, die vertrauensvoll und professionell sind.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.11.2017)

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