Kahlschlag bei Siemens

Joe Kaeser.
Joe Kaeser.(c) imago/Sven Simon (Frank Hoermann/SVEN SIMON)
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Sanierung. Konzernchef Kaeser zückt bei Turbinen und Windrädern den Rotstift – 10.000 Jobs sollen mittelfristig gestrichen werden.

München. Nach dem Umbau ist vor dem Umbau: Seit Joe Kaeser 2014 Siemens-Chef wurde, hat er das deutsche Industrieschwergewicht massiv verändert. Sparten wurden abgespalten, verkauft oder geschlossen, Zukunftsfelder wie die Medizintechnik ausgebaut. Der nächste große Schnitt ist fix – im Geschäft mit Kraftwerksturbinen und Windrädern. Die „schmerzhaften Einschnitte“, die Kaeser am Donnerstag bei der Bilanzpräsentation eingeräumt hat, wird die Belegschaft am 16. November erfahren.

„Defizitäre Geschäfte dauerhaft zu subventionieren wäre verantwortungslos“, betonte Personalchefin Janina Kugel und deutete auch Entlassungen und die Schließung ganzer Werke an. Das fürchtet die Gewerkschaft IG Metall schon länger, denn es ist ein offenes Geheimnis, dass die Sparte Power&Gas, die infolge der Energiewende kaum Aufträge zu erwarten hat, schwächelt. Aber auch die Windkrafttochter Siemens Gamesa ist mit einem drastischen Umsatz- und Gewinneinbruch konfrontiert. Dort sollen 6000 der 26.000 Arbeitsplätze gestrichen werden. Bei Power & Gas ist die Rede von 4000 Stellen.

Das heißt, im Siemens-Reich stehen 10.000 Jobs auf dem Spiel. Das ist genug Munition für einen Arbeitskampf: „Wir zweifeln nicht daran, dass etwas passieren muss“, sagte IG-Metall-Sprecher Hagen Reimer. „Aber wir werfen Siemens vor, so lang gewartet zu haben, bis es nicht mehr ohne Kündigungen geht. Das werden wir nicht hinnehmen.“ Da hilft möglicherweise auch nicht das Trostpflaster: Die 372.000 Mitarbeiter erhalten Aktien im Wert von 400 Mio. Euro.

Der Abbau werde, wie Finanzvorstand Ralf Thomas sagte, im neuen Geschäftsjahr 2017/18 auch erhebliche Kosten verursachen. Diese hat Kaeser aus der Gewinnprognose vorsorglich ausgeklammert. Die Umsatzrendite im Industriegeschäft soll zwischen elf und zwölf Prozent liegen, 2016/17 wurden 11,2 Prozent erreicht. Beim Ergebnis je Aktie peilt Siemens bis zu 7,70 Euro an, was ein Plus von zwei bis neun Prozent wäre.

Obwohl Siemens mit 83 Mrd. Euro Umsatz und 6,2 Mrd. Euro Nettogewinn Rekordzahlen geliefert hat und die Dividende um zehn Cent auf 3,70 Euro anhebt, waren die Analysten unzufrieden – die Aktie fiel um bis zu drei Prozent. Denn im vierten Quartal fiel das industrielle Geschäft um zehn Prozent, bei Power&Gas sackte der Gewinn um 40 Prozent ab. Siemens Gamesa schrieb Verlust.

Medizin für die Börse

Kaeser denkt schon an die nächsten Schritte: 2018 erfolgen die Fusion des Zuggeschäfts mit dem französischen Rivalen Alstom und der Börsengang der Medizintechniksparte. Mit bis zu 40 Mrd. Euro Firmenwert könnte Healthineers einer der größten Börsenneulinge in Deutschland werden.

Für die Zeit nach 2020 soll eine neue Strategie erarbeitet werden. Dabei gehe es darum, dass sich die einzelnen Geschäftsbereiche stärker fokussieren. „Sie müssen mit den Spezialisten der Branche mithalten können“, sagte Kaeser. Klassische Konglomerate hätten keine Zukunft. (eid/ag.)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.11.2017)

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