Der Landwirtschaftsminister benutzt die Sorgen am Land für parteipolitische Manöver, fährt über die eigenen Mitarbeiter drüber und foppt das Parlament.
Tiroler können sehr stur sein, heißt es. Für alle, die daran Zweifel haben, tritt Österreichs Landwirtschafts- und Umweltminister Andrä Rupprechter (ÖVP) gerade den Beweis an. Der Tiroler hat es sich in den Kopf gesetzt, das 500 Mitarbeiter starke Umweltbundesamt gegen den Willen nahezu aller Beteiligten aus Wien nach Klosterneuburg abzusiedeln. Offiziell geht es ihm dabei natürlich nicht darum, den rot-grünen Wasserkopf zu ärgern und die Heimatstadt von Parteifreundin Johanna Mikl-Leitner mit einer Bundesbehörde zu schmücken. Nein, dem Bergbauernsohn aus Brandenberg geht es nur um die Stärkung des ländlichen Raums.
Dagegen ist freilich nichts einzuwenden. Weite Landstriche in Österreich leeren sich, weil die Alten sterben und die Jungen mangels Infrastruktur und Perspektive in die Ballungszentren ziehen. Viele Regionen im Land brauchen eine gute Breitbandanbindung, neue Jobs und öffentliche Verkehrsmittel, um auch in 50 Jahren noch besiedelt zu sein. Klosterneuburg gehört mit Sicherheit nicht dazu. Das Städtchen am Rande der Bundeshauptstadt ist in etwa so ländlich wie die Wiener Nobelbezirke, an die es grenzt. Geht es etwa doch eher um einen „Jackpot für die Stadtkasse“, den Klosterneuburgs Bürgermeister Schmuckenschlager schon feiert?
Das würde wenigstens erklären, warum der Landwirtschaftsminister bis zuletzt hartnäckig jedes Umzugsgerücht dementieren ließ. Sogar die betroffenen Mitarbeiter im Umweltbundesamt mussten aus der „Presse“ erfahren, dass sie künftig wohl jeden Tag nach Klosterneuburg im Stau stehen müssen. Die S-Bahn fährt selbst zu Stoßzeiten nur im Halbstundentakt in die zwölf Kilometer entfernte Stadt. Dass sich die gesamte Belegschaft auf einer Betriebsversammlung geschlossen gegen die Übersiedlung ausgesprochen haben, stört ihren obersten Chef nicht. Und dass die Steuerzahler knapp 50 Millionen Euro dafür ablegen dürfen, ist offenbar auch kein Thema.
Wirklich heikel sind aber weder die Kosten noch die fragwürdige Sinnhaftigkeit des Projekts, sondern vielmehr die Art und Weise, in der das Vorhaben monatelang vor der Öffentlichkeit und auch vor dem Nationalrat versteckt gehalten wurde. Schon im April hat die grüne Abgeordnete Christiane Brunner von Rupprechter Auskunft über mögliche Umzugspläne gefordert – und nur Stehsätze als Antwort erhalten. Übersiedlungen von Bundesbehörden seien prinzipiell Teil des „Masterplans für den ländlichen Raum“. Konkrete Pläne gebe es nicht. Eine sehr gewagte Auslegung der Tatsachen, wie man heute weiß.
Damit nicht genug: Konkret auf die damals schon kolportierte Übersiedlung nach Klosterneuburg angesprochen, sagte der Minister wörtlich: „Gemäß Paragraf 5 Absatz vier Umweltkontrollgesetz ist derzeit der Sitz des Umweltbundesamtes in Wien. Eine Verlegung des Sitzes bedarf einer Gesetzesänderung und fällt daher in die Zuständigkeit des Bundesgesetzgebers.“ Sollte wohl heißen: Das müsst ihr, liebe Parlamentarier beschließen. Und wenn es mit den Roten nicht geht, dann mit den Blauen. Doch ganz so einfach wie gedacht ist das nicht. Die Freiheitlichen denken nicht daran, der notwendigen Gesetzesänderung zuzustimmen.
Andrä Rupprechter bleibt freilich weiter stur. „Wir brauchen dafür keine gesetzliche Änderung, weil das in meinem Ressortbereich so entschieden werden kann“, sagte er nun im Rundfunk – und gab damit wohl einer Umgehungskonstruktion grünes Licht. Aller Voraussicht nach dürfte das Umweltbundesamt formal seinen Sitz in Wien behalten. Ein paar Vorstände werden sich das Pendeln also ersparen. Der Großteil der Mitarbeiter übersiedelt aber in die „Außenstelle“ Klosterneuburg.
Mit diesem unwürdigen Schauspiel hilft Rupprechter weder dem ländlichen Raum noch seiner Partei. Auch der Ökonom Gottfried Haber und der Politologe Peter Filzmaier hätten sich wohl einen besseren Start für ihren durchaus vernünftigen „Masterplan: Land“ gewünscht. Dasselbe gilt für eine mögliche schwarz-blaue Koalition, die so gern vom neuen Regieren redet. Für Rupprechters Stil finden sich wohl viele Attribute, neu zählt sicher nicht dazu.
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("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.11.2017)