Simbabwe: Vorhang zu für den "Genossen Bob"

Erinnerungsfoto mit Panzer: Auf den Straßen der simbabwischen Hauptstadt, Harare, feierten Einwohner den von der Armee verordneten Rückzug Robert Mugabes aus der Politik.
Erinnerungsfoto mit Panzer: Auf den Straßen der simbabwischen Hauptstadt, Harare, feierten Einwohner den von der Armee verordneten Rückzug Robert Mugabes aus der Politik.(c) imago/ZUMA Press (Belal Khaled)
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Langzeitherrscher Robert Mugabe hat bis Montagmittag Zeit, um den Posten des Staatschefs zu räumen. Von der Spitze der Regierungspartei Zanu-PF wurde der 93-Jährige am Sonntag verstoßen.

Harare. Götterdämmerung in Simbabwe. Nach 37 Jahren ist die Ära Robert Mugabe am gestrigen Sonntag de facto zu Ende gegangen. Zanu-PF, die Regierungspartei des Landes, setzte dem „Genossen Bob“, wie der 93-jährige ehemalige Unabhängigkeitskämpfer und nunmehrige Langzeitdespot von seinen Anhängern genannt wird, eine allerletzte Galgenfrist: Sollte Mugabe nicht bis zum heutigen Montag als Präsident zurücktreten, werde ein Verfahren zur Amtsenthebung eingeleitet, erklärte ein Parteivertreter. Sonntagabend hieß es aus Insiderkreisen, Mugabe arbeite bereits an seiner Rücktrittserklärung. Aus der seit der Unabhängigkeit Simbabwes im Jahr 1980 ohne Unterbrechung regierenden sozialistischen Partei wurde Mugabe bereits am gestrigen Sonntag ausgeschlossen – ebenso wie seine 52-jährige Ehefrau, Grace, die er als seine Nachfolgerin an Staats- und Regierungsspitze inthronisieren wollte.

Ob der greise Präsident die Vorgänge rund um seine Entmachtung nachvollziehen kann, war am Sonntag nicht klar. Bis zuletzt schien Mugabe davon auszugehen, dass er sich an der Macht halten könne – anstatt den bevorstehenden Machtkampf zu planen, dozierte er am Wochenende in seiner Residenz über das Aufwachsen in den 1930er-Jahren und über Anthropologie, berichtete Mugabes langjähriger Berater George Charamba einem Reporter der „Financial Times“. An die vakant gewordene Stelle an der Parteispitze rückt nun Emmerson Mnangagwa, der Mugabe demnächst auch als Staatspräsident beerben soll.

Der 75-Jährige trägt den Spitznamen Krokodil, galt lange Zeit als treuer Gefolgsmann Mugabes – und war der unfreiwillige Auslöser des unblutigen Militärputschs vergangene Woche: Als Mugabe seinen langjährigen Wegbegleiter aus dem Amt des Vizepräsidenten bugsierte, um Platz für seine Ehefrau zu schaffen, verweigerten die Generäle dem Staatsoberhaupt die Gefolgschaft und übernahmen die Kontrolle. Dass sich die Armee hinter den geschassten Vizepräsidenten stellen würde, kam nicht überraschend: Im Gegensatz zu der als einkaufssüchtig und jähzornig geltenden Präsidentengattin (auch als „Gucci Grace“ bekannt) kämpfte Mnangagwa an Mugabes Seite gegen die britische Kolonialherrschaft. Er gilt als Hardliner und hatte in den vergangenen Jahren unter anderem den Geheimdienst, das Innen- und das Justizressort geführt.

Freudentänze in Harare

Mit Mnangagwa an der Spitze ist kein radikaler Kurswechsel in dem krisengeschüttelten Land zu erwarten, wie er von weiten Teilen des Landes herbeigesehnt und von den Profiteuren des bisherigen Regimes gefürchtet wird. Die Stimmung innerhalb der Regierungspartei brachte Chris Mutsvangwa, der Vorsitzende des Veteranenverbands, auf den Punkt: „Der Präsident ist weg. Lang lebe der Präsident“, jubelte er im Anschluss an das Votum des Zanu-PF-Gremiums, während auf den Straßen von Harare Hunderte Menschen Freudentänze aufführten.

Als Mugabe 1980 die Macht übernahm, war Simbabwe eines der reichsten Länder des Kontinents und die Kornkammer des südlichen Afrika. Nach jahrzehntelanger Misswirtschaft ist es zum chronischen Krisenfall geworden. Seit der Jahrtausendwende hat sich die Wirtschaftsleistung des Landes halbiert. Schätzungen zufolge gehen 95 Prozent der arbeitsfähigen Bevölkerung keiner Beschäftigung nach, weil es weder Geld noch Arbeitsplätze gibt. Die Armutsquote dürfte bei rund 70 Prozent liegen. Als Mugabe im Jahr 2000 die weißen Farmbesitzer enteignete und ihre Ländereien an Gefolgsleute verteilte, brach die Agrarproduktion ein, woraufhin der Präsident Geld drucken ließ – mit der Folge, dass die Inflation im Jahr 2008 auf 230 Millionen Prozent kletterte und die Zentralbank Hundert-Billionen-Dollarscheine in Umlauf brachte.

Über Wasser gehalten wird Simbabwe von den geschätzt drei Millionen Bürgern, die ins benachbarte Südafrika emigriert sind und ihre Verwandten daheim mit Hartwährung versorgen. Für Mugabes Nachfolger steht die unmittelbare Agenda somit fest: Mutsvangwa muss dringend die Wirtschaft des Landes stabilisieren und Investoren nach Simbabwe einladen. Sonst drohen der Staatsbankrott und weiteres Chaos.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.11.2017)

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