Wiener Grüne: Vassilakou bleibt Chefin, Spitzenkandidatur noch zu klären

Selbstkritik und Analyse der grünen Lage: Bei ihrer Rede auf der Landesversammlung zeigte sich Maria Vassilakou emotional.
Selbstkritik und Analyse der grünen Lage: Bei ihrer Rede auf der Landesversammlung zeigte sich Maria Vassilakou emotional.APA/GEORG HOCHMUTH
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Nach dem Fiasko der Nationalratswahl diskutierten Wiens Grüne eine Ablöse von Maria Vassilakou. Bis Ende 2018 wird entschieden, wer die Partei in die Wien-Wahl 2020 führen soll.

Zwei Premieren ereigneten sich bei der Landesversammlung der Wiener Grünen am Samstag. Und auf beide Premieren hätte Maria Vassilakou in einer Veranstaltungshalle am Rennweg eigentlich gern verzichtet. Die erste Premiere betraf die grüne Vizebürgermeisterin selbst. Erstmals in der Geschichte der Wiener Grünen wurde ein offizieller Antrag eingebracht, damit das höchste Gremium die (de facto) Parteichefin zum Rückzug zwingt. Also Vassilakou. Und auch wenn die Führungsspitze eine Abstimmung über das Schicksal von Vassilakou kurz vor der Entscheidung mit einer Kompromisslösung doch noch verhindern konnte: Ein derartiger Antrag ist selbst bei den Wiener Grünen einmalig.

Die zweite Premiere: Erstmals in ihrer Geschichte war eine Landesversammlung der Wiener Grünen, die sich für Transparenz einsetzen, nicht öffentlich – zumindest im wichtigsten Teil, als es um den brisanten Antrag zum Rückzug von Vassilakou ging. Und das, obwohl die grünen Statuten vorschreiben: Eine Landesversammlung hat öffentlich zu sein. Beide Premieren sind Folgen der Nationalratswahl, als die Grünen aus dem Parlament flogen. Zentralen Anteil daran hatte Wien als Hochburg der Grünen, wo die Partei ein Minus von 10,51 Prozentpunkten einfuhr. Im grünen Vorzeigebezirk Neubau war es mit einem Minus von 20,33 Prozentpunkten ein besonderes Desaster.

Vertrauensabstimmung. Nun stand Vassilakou am Rednerpult bei jener Landesversammlung, bei der es um die Aufarbeitung des Wahlfiaskos ging. Dort, wo sie sich mit einem Antrag von parteiinternen Kritikern konfrontiert sah, in dem ihr „geplanter und geordneter Rückzug“ gefordert wurde.

Die Kritiker hatten sich um Alexander Hirschenhauser versammelt, den Klubchef der Grünen der Inneren Stadt und Anführer jener Fraktion, die das geplante Hochhausprojekt am Heumark erbittert bekämpft. Und der die Parteispitze direkt vor der Abstimmung so weit entgegen kam, dass diese ihren Antrag zurück zog. „Ich bin zufrieden, weil es keine Gewinner und keine Verlierer gibt“, sagte Hirschenhauser danach. Der Kompromiss: Innerhalb eines Jahres soll geklärt werden, wer die Grünen in die Wien-Wahl 2020 führt. Ob Vassilakou sich dann um die Spitzenkandidatur bewirbt, ließ sie offen. Immerhin stellte sich am Samstag ein Viertel der grünen Basis gegen Vassilakou – als sie (freiwillig) die Vertrauensfrage stellte.

Zu Beginn der Tagung war noch alles offen. „Das ist eine Rede, von der ich gehofft hatte, dass ich sie nie halten würde müssen, dass dieser Moment nie kommen müsste“, hatte Vassilakou ihren Auftritt begonnen: „Aber am 15. Oktober kam er: Wir sind aus dem Parlament herausgewählt worden.“ Dabei zeigte sich Vassilakou auch selbstkritisch: „Man soll jetzt nicht die Schuld beim jeweils anderen suchen, sondern fragen: Was habe ich falsch gemacht?“ Nachsatz: „Ich fange damit an: Ich habe die Sprengkraft der Hochhaus-Widmung am Heumarkt falsch eingeschätzt“, gab die grüne Planungsstadträtin zu, erklärte aber gleichzeitig: Der Spin, dass die Wahl in Wien verloren wurde, sei falsch, „so dramatisch die Verluste sind“. Denn Analysen hätten gezeigt, dass Wien und Vorarlberg die höchsten Behalte-Raten (bei Grünwählern, Anm.) gehabt hätten.

Gleichzeitig forderte Vassilakou eine Neuaufstellung der Partei: Denn bei der Wien-Wahl 2020 „geht es um die Existenz der Grünen“. In Anspielung auf den Antrag, der (noch zu diesem Zeitpunkt, Anm.) ihren Rücktritt forderte, meinte die grüne Frontfrau: „Wir brauchen zuerst Klarheit über den neuen Weg.“ Danach könnten personelle Änderungen diskutiert werden. Auch der Bundesparteichef der Grünen, Werner Kogler, appellierte angesichts der Führungsdebatte um Vassilakou für mehr Einigkeit.
Vassilakou richtete ihre Worte jedenfalls bewusst in Richtung ihrer Kritiker, die den Antrag für ihren Rücktritt eingebracht hatten: „Nun befürchten manche unter uns, ich würde an meinem Sessel kleben. Das ist ein Irrtum.“ Mit der Diskussion über personelle Änderungen „stelle ich meine Position zur Disposition. Ich wünsche mir, dass das alle machen, niemand ist sakrosankt.“ Danach wurde Vassilakou noch deutlicher: Falls die Partei nach der inhaltlichen Diskussion zum Schluss komme, jemand anderer solle das neue Konzept umsetzen, solle das so sein. In Hinblick auf die Wiener Gemeinderatswahl im Jahr 2020 meinte die Grüne: „Wer diesen Job übernimmt, sollte es können. Eine zweite Chance wird es nicht geben.“

Blockade des Lobau-Tunnel? Vor Vassilakou war Landessprecher Joachim Kovacs an das Rednerpult getreten („Wir stecken in der größten Krise unserer Geschichte“) und hatte eine härtere Gangart gegenüber dem Koalitionspartner SPÖ angekündigt. Das ist interessant, weil Kovacs (neben Klubchef David Ellensohn) als Favorit für die Vassilakou-Nachfolge gilt: Der Lobau-Tunnel sei „ein No-Go für uns Grüne“, so Kovacs: „Es kann nicht sein, dass Magistratsbeamte eine positive Stellungnahme zum Lobau-Tunnel abgeben. In einer rot-grünen Stadt will ich das nicht!“ Die Grünen hätten sich auch bei der Mindestsicherung gegen die SPÖ durchgesetzt. Nun will Kovacs dasselbe beim Lobau-Tunnel. Dass dies naturgemäß die Harmonie in der rot-grünen Koalition massiv stören würde, lässt Kovacs kalt: „Denn das einzige, das die SPÖ an uns interessiert, sind unsere Wähler.“

Vassilakou hatte einst angekündigt: Die Grünen seien gegen den Tunnel, müssten aber Gerichtsentscheidungen akzeptieren (es läuft eine Klage gegen das Projekt, Anm.). Kovacs sieht das anders: Gegen ein positives Urteil für den Bau des Tunnels müsse man „mit der Zivilgesellschaft“ vorgehen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.11.2017)

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