Das gesprochene Wort erlebt eine kleine Renaissance. Und dank der geschlossenen Gruppen auf Facebook, WhatsApp und Co. setzt sich der Biedermeier-Zeitgeist in den digitalen Räumen fort. Drei Thesen zur Kommunikation 2018.
Es war kurz vor Weihnachten. Auf dem Weg ins Büro hatte ich in der Straßenbahn eine morgendliche Konversation mit einer Freundin via WhatsApp begonnen. Wir ackerten schriftlich, wie schon so oft zuvor, ein heikles Thema durch. Gerade hatte ich ein „Was sagst Du dazu?“ verschickt, da poppte in der Kopfzeile über den Nachrichten ein Schriftzug auf: „Tonaufnahme läuft.“
Ratlos starrte ich auf den Bildschirm und dachte: Hört uns wer zu? Liest da wer mit? Oder hab ich einfach nur falsch gedrückt? Viel Zeit zum Grübeln blieb nicht. Die neue Nachricht war schon da, ohne Buchstaben, aber mit einem Tondokument, das man anhören konnte. Die Freundin, offenbar selbst gerade im Bus auf dem Weg in ihr Büro, seufzte mir da ins Ohr: „Sorry, aber mein Daumen ist langsamer als mein Mundwerk.“ Und es folgte eine gesprochene Antwort auf meine Frage. 36 Sekunden. Ein paar Tage später antwortete eine liebe Bekannte aus Berlin auf meinen schriftlichen Neujahrsgruß – erraten – mündlich mit einer Sprachnachricht. Zwei Minuten, 46 Sekunden. Und kurz darauf sandte der Studienkollege die Terminvorschläge für einen Opernbesuch zwar auch via WhatsApp, aber eben: gesprochen.