Verklemmte Amerikaner versus die Liebeskunst verteidigende Franzosen? Rund um die #MeToo-Debatte und einen Brief von 100 Französinnen flammen alte Klischees auf: über US-Puritanismus und femininen Pariser Feminismus.
„Dieses Zensurklima macht mich sprachlos.“ Die französische Schauspielerin Catherine Deneuve, die vor Kurzem ein international heftig umstrittenes #MeToo-kritisches Schreiben mitunterzeichnet hat, hat sich nun erneut dazu geäußert. Sie fürchte die „Säuberung“ in der Kunst, erklärte sie der französischen Zeitung „Libération“ (Montagausgabe). „Wird man einst die Pléiade-Bände des Marquis de Sade verbrennen? Leonardo da Vinci als pädophilen Künstler bezeichnen und seine Gemälde verhängen? Die Gauguins in den Museen abhängen? Die Zeichnungen Egon Schieles vernichten? Die Platten von Phil Spector verbieten?“
Um künstlerische Zensur geht es in der #MeToo-Debatte freilich höchstens am Rande. Auch das von Deneuve mitunterzeichnete, vor einer Woche in der Zeitung „Le Monde“ veröffentlichte Schreiben der 100 Französinnen handelte kaum davon. Deren Kritik zielte vielmehr auf drei Punkte. Erstens: Männer würden derzeit zuhauf öffentlich beschuldigt, ohne die Möglichkeit zu bekommen, sich zu verteidigen. Das erinnere an das „Klima einer totalitären Gesellschaft“. Zweitens: Frauen würden in erster Linie als schwache Opfer dargestellt, die sich nicht selbst wehren und Grenzen ziehen könnten – als „kleine arme Dinger in den Händen phallokratischer Dämonen“. Eltern sollten ihre Töchter lieber dazu erziehen, sich nicht einschüchtern zu lassen.