Regierungsbildung: Aufstand der deutschen Sozialdemokraten

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Die Berliner SPD spricht sich wie bereits die Landesgruppen in Sachsen gegen Koalitionsverhandlungen mit der Union aus. Die Umfragewerte der Partei erreichen einen historischen Tiefstand.

Im Ringen um Zustimmung zu Koalitionsverhandlungen mit der Union hat die SPD-Spitze einen weiteren Dämpfer erhalten. Die Berliner Sozialdemokraten sprachen sich am Montag gegen die Bildung einer großen Koalition im Bund aus. "Wir lehnen die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen mit der Union ab und appellieren an alle Delegierten zum Bundesparteitag, sich unserem Votum anzuschließen", erklärte der Berliner Landesvorstand.

Bei der SPD ist ungewiss, ob ein Sonderparteitag am Sonntag grünes Licht für Verhandlungen mit der Union gibt. Die Berliner SPD stellt 23 von 600 Delegierten. 21 Vorstandsmitglieder lehnten demnach eine Neuauflage der großen Koalition ab.

Am Wochenende hatte bereits ein Landesparteitag der SPD in Sachsen-Anhalt mit knapper Mehrheit gegen Koalitionsverhandlungen gestimmt. Der Verband entsendet sechs Delegierte. Die niedersächsische SPD-Spitze empfahl dagegen am Sonntag die Aufnahme von Verhandlungen. Mit Spannung wird allerdings die Abstimmung des Verbandes von Nordrhein-Westfalen erwartet: Sie stellt 144 Delegierte.

"Frondeure mit versteckten Agenden"

Dass die SPD-Parteispitze am Freitag beschlossen hat, Koalitionsverhandlungen mit CDU und CSU aufzunehmen, dürfte auch den Wählern nicht gefallen: Die Partei ist in den Umfragewerten auf den niedrigsten jemals gemessenen Wert abgerutscht. Die Sozialdemokraten verlieren im Vergleich zur Vorwoche einen Punkt auf 18,5 Prozent, wie aus dem am Dienstag veröffentlichten Insa-Meinungstrend für "Bild" hervorging. CDU und CSU halten demnach mit 31,5 Prozent ihr Ergebnis aus der Vorwoche. Damit wählt nur jeder Zweite eine der Parteien der großen Koalition.

Indessen gehen die Querschüsse zwischen SPD und Union weiter. Die deutsche Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD) hat Teilen von CDU und CSU vorgeworfen, durch Störmanöver die Bildung einer Regierung von Union und SPD zu hintertreiben. "Da sind Frondeure am Werk, die eine versteckte Agenda verfolgen", sagte Hendricks der "Neuen Osnabrücker Zeitung". Vor allem die Äußerungen von CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt legten die Vermutung nahe, ihm gehe es darum, die "Alten loszuwerden" und durch Scheitern von Koalitionsverhandlungen die Parteichefs Angela Merkel (CDU) und Horst Seehofer (CSU) zu Fall zu bringen."

Die CDU bekräftigte ihre Linie, keine Nachverhandlungen der Sondierungsgespräche zuzulassen. "Die CDU wird die Sondierungsergebnisse nicht neu verhandeln", sagte Volker Bouffier, der CDU-Vizechef und hessischer Ministerpräsident, der "Rheinischen Post" am Dienstag. Die CDU sei bereit, Verantwortung zu übernehmen, "und das erwarten wir auch von der SPD", sagte der CDU-Vize-Chef.

(APA/Retuers)

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