Steve Jobs: Apples iGott

Steve Jobs
Steve Jobs(c) AP (Paul Sakuma)
  • Drucken

Steve Jobs dominiert Apple wie zuletzt Henry Ford seine Autofirma. Als "kompetenter Tyrann" hat er den PC-Hersteller zum Maß aller Unterhaltungsdinge gemacht. Heute ist die Firma mehr wert als Google.

Der Mann ist ein Fiesling. Charakterlich und menschlich. Jemand, der die Mutter seiner unehelichen Tochter von der Sozialhilfe leben ließ, während er sich einen zweiten Porsche bestellte. Seinen besten Freund betrog er um ein paar tausend Dollar. Untergebene lässt er arbeiten, bis sie am Schreibtisch zusammenbrechen. Er ist ein tyrannischer Machtmensch, geizig und rachsüchtig. Und doch ist Steve Jobs für Millionen Menschen eine Ikone, ein cooler Visionär. Ein iGott.

Diese Woche hat der Chef von Apple wieder bewiesen, wie er die Welt der Unterhaltung vor sich hertreibt. In einer seiner „Keynotes“, die nicht einfach nur eine Produktpräsentation sind, sondern „an einen Gottesdienst in einer aufgedrehten Baptistenkirche“ erinnern, wie das deutsche Magazin „Focus“ fand. Wenn Jobs wie am Mittwoch in Jeans, schwarzem Rollkragenpullover und weißen Balance-Turnschuhen auf die Bühne tritt, dann bedeutet das nicht nur technische Neuheiten, sondern gesellschaftliche Umwälzungen.


Gesellschaftliche Umwälzung. Mit drei Auftritten hat der 54-Jährige bereits den Computer-, Musik- und den Handymarkt verändert. 1984, als er den Macintosh präsentierte, den ersten Computer mit einer grafischen Benutzeroberfläche. 17 Jahre später, im Oktober 2001, zückte er einen iPod aus seiner Hosentasche, einen MP3-Spieler, der mit seiner Bedienerfreundlichkeit neue Maßstäbe setzte. Im Jänner 2007 kam das iPhone: Ein Handy, das mit einem Touchscreen alle bisherigen Mobiltelefone in den Schatten stellte. Allein die Art, wie man im Adressbuch blättert, versetzte die ersten Besitzer wochenlang in Verzücken.

Und jetzt also das iPad, ein Tablet-Computer, auf dem man Bücher und Zeitungen lesen kann, der ein Video-Player ist, ein Notizbuch und ein großer iPod. All das ist nicht neu, das gibt es schon in verschiedenen Versionen von verschiedenen Firmen. Aber jetzt kommt es eben aus dem Haus Apple und aus den Händen von Steve Jobs. Und diese Kombination ist üblicherweise Garant für einen Erfolg.

Da ist es auch egal, wenn die Neuheiten oft nicht das bieten, was bei der Konkurrenz selbstverständlich ist. Die erste Version des iPhone konnte nicht einmal Videos aufnehmen, der iPod hat erst in der jüngsten Version ein Radio, und alle wundern sich in den wenig euphorischen Berichten, warum das iPad keine eingebaute Kamera und das veraltete 4:3-Bildschirm-Format hat. Aber Jobs ist ein Marketing-Genie, und die treue Fangemeinde würde ihm wahrscheinlich sogar Schreibmaschinen aus der Hand reißen.

Apple-Nutzer fühlten sich immer als eine verschworene Gemeinschaft, wie früher Motorradfahrer, die sich auf der Straße grüßten. Das hat damit zu tun, dass nur wenige Menschen die MacBooks, iMacs und Powerbooks nützen. Der Marktanteil in der PC-Welt lag Jahrzehnte bei zwei Prozent und weniger, erst jüngst konnte Apple weltweit auf knapp vier Prozent zulegen. Das gibt einem ein elitäres Gefühl, unter anderem auch deshalb, weil die Apple-Computer um vieles teurer waren und sind als die Windows-Konkurrenz.

Jobs schürte dieses Image des „Underdogs“ und baute Apple als den David auf, der gegen Goliath – damals IBM, später Microsoft – antritt. Etwa mit dem legendären TV-Spot zur Einführung des Macintosh 1984: Eine Frau, die mit einem Vorschlaghammer einen riesigen Bildschirm zerstört, auf dem „Big Brother“ zur gleichgeschalteten Gefolgschaft spricht. Für solche Highlights – der Werbefilm wurde von Ridley Scott („Blade Runner“, „Gladiator“) gedreht – scheute Jobs bzw. Apple keine Kosten: Fast eine Million Dollar kostete die Produktion, eine bis dahin nie dagewesene Summe für einen Werbespot. Aber er hatte Wirkung.

Von Beginn an brachten Apple-Produkte immer auch technische Premieren. Etwa mit der grafischen Oberfläche, die Microsoft später für sein Windows kopierte (Apple wiederum hatte sie von Xerox übernommen); mit der Maus oder dem ersten Postscript-Laserdrucker. Der Kopf hinter der Technik war Apple-Co-Gründer Steve Wozniak, Jobs sorgte dafür, dass das „Gesamtkunstwerk“ passt. Er testete Prototypen und arbeitete sogar bei der Entwicklung von Schriftbildern mit. Er quälte Designer mit seinen Vorstellungen – etwa der, dass man beim iPod nicht mehr als drei Klicks brauchen darf, um beim gewünschten Lied zu sein. Und er stellte sicher, dass Apple-Produkte schön aussehen – beispielsweise mit der simplen aber verkaufsfördernden Idee, statt langweilige weiße Computer farbige anzubieten.

Das mag mitgeholfen haben, Apple-Computer in die schicken Büros fast aller Werbeagenturen dieser Welt zu bringen. Der wahre Grund für die treue Gefolgschaft bei Fotografen, Grafikern, Designern und Werbeleuten hat aber mit den frühen „Killer-Applikationen“ zu tun: Photoshop und die Desktop-Publishing-Software Pagemaker und QuarkXPress. Diese revolutionären Programme gab es anfangs nur für den Macintosh. Werbeagenturen, Verlage, Zeitschriften, Druckereien und Bildagenturen hatten gar keine Alternative zu einem Apple. Mittlerweile wollen sie sie nicht.


Jobs, der neue Ford. Heute ist es die Übersättigung mit Microsoft, die dem vergleichsweise winzigen Unternehmen steigende Absatzzahlen am PC-Markt beschert. Unterschiede in der Bedienerfreundlichkeit gibt es seit dem aktuellsten Windows-Betriebssystem kaum noch. Eher geht es um die Sicherheit: Es gibt kaum Viren für Macs, weil es Hackern zu mühsam ist, für so wenige potenzielle Opfer zu programmieren. Und natürlich spielt das Gefühl der Nonkonformität mit.

Das hat man beim iPod nicht. In den USA hält er bei einem Marktanteil von 74 Prozent, das Wort iPod wurde zum Synonym für einen MP3-Player wie Tixo für Klebeband. Und auch das iPhone ist auf dem besten Weg zum Massenprodukt.

All das ist Jobs' Verdienst. Der letzte Firmenchef, der ein Unternehmen derart dominierte wie Steve Jobs Apple, war wahrscheinlich Henry Ford. Als Jobs 1996, elf Jahre nach seinem unrühmlichen Rausschmiss, zu Apple zurückkehrte, war die Firma am Boden. Heute ist sie mehr wert als Google oder HP.

So erfolgreich und zielstrebig er als Geschäftsmann ist, so verschroben ist er privat. Beispielsweise die Sache mit seiner Tochter Lisa. Als sie 1978 zur Welt bekam, weigerte er sich, die Vaterschaft anzuerkennen. Er sei steril, log er. Der Mutter verweigerte er lange Zeit jegliche Unterhaltszahlungen. Als er Millionen Dollar mit dem Börsegang Apples machte, musste sie von der Sozialhilfe leben.

Zugleich aber nannte Jobs den Computer, an dem Apple zu jener Zeit arbeitete, „Lisa“. Offiziell stand es für „Local Integrated Software Architecture“, aber das Wortungetüm soll man nur erfunden haben, um das Akronym Lisa zu schaffen.

Oder der Betrug an Apple-Mitgründer Wozniak Ende der 1970er-Jahre. Jobs arbeitete damals für den Spielehersteller Atari. Sein Chef bot ihm einen Bonus, wenn er den Rechenbedarf eines Spieles reduzieren kann. Jobs ging zu seinem Freund Steve Wozniak. Der arbeitete vier Tage durch und war am Ende erfolgreich. Jobs gab ihm 350 Dollar – die Hälfte des Bonus', den ihm sein Chef gegeben hätte, sagte er. In Wahrheit streifte Jobs 5000 Dollar Bonus ein. Wozniak soll geweint haben, als er Jahre später davon erfuhr.


Rausschmiss und Krebs. Verändert hat ihn der Rausschmiss bei der Firma, die er gründete und liebte. Als er danach Pixar von George Lucas kaufte, erlebten die Mitarbeiter einen umgänglichen Boss. Der Erfolg des Filmstudios hat vor allem damit zu tun, dass sich Jobs nicht einmischte. Die Ernüchterung durch die Kündigung und der Bauchspeicheldrüsen-Krebs, den man 2004 diagnostizierte, hätten ihn verändert, meinte Jobs in einem Gespräch mit dem „Wall Street Journal“: „Ich bin heute ein anderer Mensch.“

Oder auch nicht. Angeblich soll die Entwicklung des iPad von bissig-zynischen Mails und Tobsuchtsanfällen Jobs' begleitet gewesen sein. Aber wie meinte sein früherer Mitarbeiter Jean-Louis Gasse: „Demokratien produzieren keine großartigen Produkte. Dazu braucht man kompetente Tyrannen.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.01.2010)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Steve Jobs und sein iPad
Innovationen

Apple iPad soll in der Produktion nur 270 Dollar kosten

Analysten haben die Fertigungs-Kosten des günstigsten iPads auf rund 270 Dollar berechnet. Der Verkaufs-Preis von rund 500 Dollar bietet laut Experten-Meinung durchaus Spielraum für Preissenkungen.
Apple
Kreativ

Konsumpsychologin: "Geist ist geil"

Warum lassen wir uns schon wieder so gern "veräppeln"? Interview mit Konsumpsychologin Simonetta Carbonaro über Ikonendesign, das neue iPad und Apples Achillesferse.
"iPad"
Innovationen

Namensstreit: Fujitsu hat auch ein "iPad"

Fujitsu könnte sich wegen des Namens "iPad" mit Apple anlegen. Der japanische Hersteller hat bereits 2003 einen Computer unter diesem Namen auf den Markt gebracht. Das US-Patentamt prüft den Fall.
Mobil

Was tun mit dem iPad? Viel, aber nichts davon richtig

Wie Apples neues Gadget genau aussieht, ist jetzt klar, weniger klar ist noch, wofür genau man es tatsächlich benutzen wird. Wahrscheinlich als Netbook-Ersatz. Die Displaygröße schreit geradezu danach.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.