Was tun mit dem iPad? Viel, aber nichts davon richtig

(c) AP (Marcio Jose Sanchez)
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Wie Apples neues Gadget genau aussieht, ist jetzt klar, weniger klar ist noch, wofür genau man es tatsächlich benutzen wird. Wahrscheinlich als Netbook-Ersatz. Die Displaygröße schreit geradezu danach.

ITouch, iSlant, iPad, ... selbst über den Namen des ominösen Dings – angesiedelt zwischen XL-iPhone, Touchscreen-Notebook und eReader –, das Apple diese Woche der Öffentlichkeit präsentierte, war im Vorfeld eifrig spekuliert worden. Am Mittwoch, kurz nach 19 Uhr (MEZ), war die Katze dann aus dem Sack. Das neue Must-have für alle Apple-Fans heißt iPad. Das knapp A4 große Gadget ist eine Art ultraflaches iPhone in XXL, das alles noch viel besser kann als das Kulthandy– außer als Telefon zu dienen.

Wofür genau wird das iPad also genutzt werden? Als Netbook-Ersatz scheint es – obwohl die Displaygröße von knapp zehn Zoll geradezu danach schreit – nur bedingt tauglich. Auch wenn Steve Jobs bei seiner Präsentation über die „langsamen“ Netbooks mit „minderwertigen Displays“ lästerte, fehlt dem iPad einiges, woran sich die – mit ihren Geräten tendenziell sehr zufriedenen – Netbook-User gewöhnt haben. Allen voran eine echte Tastatur. Dass die virtuellen Tasten – die auf Kosten der effektiven Bildschirmgröße eingeblendet werden – als Ersatz für ein echtes Keyboard taugen, scheint Apple selbst nicht zu glauben und bietet eine passende Dockingstation mit Tastatur. Die macht zwar die Texteingabe bequemer, in Sachen Stylefaktor und Mobilität gibt es aber keine Extrapunkte.

Flucht in der Wolke

Auch der Speicherplatz ist mit 16 bis 64 GB sehr mager. Dies ließe sich dadurch kompensieren, die Daten in die „Cloud“ (Wolke) auszulagern, sprich Files nicht am Gerät zu speichern, sondern irgendwo aus dem Internet zu holen. Dass Apple kürzlich eine „Cloud“-Erweiterung für iTunes angekündigt hat, mit der Nutzer online auf ihre erworbenen Files zugreifen können, passt ins Bild.

Ob der von Apple selbst entwikelte Prozessor – die einzige echte Innovation – das iPad wirklich so viel schneller macht als typische Netbooks, wird sich erst weisen müssen. Jedenfalls scheint er Strom zu sparen. Laut Apple hält der Akku bis zu zehn Stunden. Bleibt, neben Kleinigkeiten wie fehlenden USB-Anschlüssen, noch das Betriebssystem. Auch wenn iWork und die zahllosen iPhone-Apps zur Verfügung stehen, ein echter PC wird damit aus dem iPad, der wie das iPhone kein Multitasking beherrscht, keiner.

Soll er wohl auch gar nicht werden, dafür hat Apple schließlich die MacBooks. Und außerhalb der Mac-Welt existiert für wahre Apfelfans ohnehin nichts.

Die klassischen Netbook-User, die auf den Preis achten, werden wohl auch weiter zum 300-Euro-Billig-PC greifen, statt mindestens 500 Euro für das iPad zu berappen– auch wenn das iPad „intimer“ ist, wie Verkaufsgenie Jobs es bei der Präsentation formuliert.

Als portable Spielkonsole ist das iPad zwar ein netter Zeitvertreib; dass Nintendos DSi oder die PSP von Sony jetzt abgemeldet sind, ist aber kaum zu befürchten. Zwar sind deren Displays deutlich kleiner, gerade die kompakten Maße sind aber für unterwegs ein wesentliches Plus. Und der passionierte Gamer wird mit reiner Touchscreen-Steuerung kaum glücklich. Bei Gelegenheitsspielern und jenen, für die Mediaplayer und Internet eine wesentliche Rolle spielen, wird das iPad wohl erfolgreich wildern.

Das Buch der Zukunft?

Bleiben die eReader. Dieses jüngste und (noch) kleinste Segment muss tatsächlich vor dem iPad zittern – und tut es bereits. Nicht von ungefähr hat Amazon die Autorenvergütung für seinen Kindle erst kürzlich erhöht und die Plattform für externe Entwickler geöffnet, um einen eigenen App-Store aufzubauen.

Die größte Stärke des iPad im Vergleich zu anderen eReadern, sein Farbbildschirm, könnte beim reinen Bücherlesen aber auch als Schwäche gelten. Bislang bieten nur die S/W-Displays auf eInk-Basis ein Lesegfühl, das dem von Papier nahekommt. Alle, die bereits jetzt am iPhone Bücher lesen, werden vom iPad begeistert sein; die klassischen Bücherwürmer werden sich an den LCD-Bildschirm deutlich schwerer gewöhnen als etwa an den Kindle.

Ein eReader muss aber nicht nur Kunden, sondern auch Verlage für sich gewinnen. Hier hat Apple gute Karten. Vor allem Tageszeitungen und Magazine setzen große Hoffnungen auf das iPad, und der neue iBook-Store hat bereits namhafte Verlage und als Aushängeschild etwa die „New York Times“ an Bord. Nicht nur in dieser Vorbereitung, auch in der Umsetzung zeigen sich Apples alte Tugenden: Auf dem iPad erscheinen nicht nur die Cover der Bücher, in der virtuellen Bibliothek stehen sie sogar in einem Holzregal. Details wie dieses trösten den typischen Apple-User über so manche Unzulänglichkeit des iPad hinweg. Und last, but not least lässt sich mit dem iPad im Starbucks noch viel mehr Eindruck schinden als mit dem Kindle.

APPLE iPAD

Die wichtigsten Daten:

Display: 9,7 Zoll (1024 x 768 Pixel)
Prozessor: A4 (1 GHz)
Netzwerk: WLAN ist Serie, 3G-Modul für 130 Dollar Aufpreis
Speicher: 16, 32 oder 64 GB
Preis (ohne 3G): $ 499 bis $ 699

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.01.2010)

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