Forscher haben den Gender Pay Gap in Deutschland aus der Nähe betrachtet. Das Resultat: Frauen verdienen bundesweit relativ gleich viel - und dennoch im Osten bis zu 17 Prozent mehr als Männer, im Westen bis zu 38 Prozent weniger.
21 Prozent. Das ist der Richtwert, um den die deutsche Debatte um den Gender Pay Gap - also die Lücke zwischen Frauen- und Männergehältern - gewöhnlich kreist. Es ist die vom Statistischen Bundesamt 2016 gemessene Lücke. Nun legen Untersuchungen von Forschern des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) in Nürnberg aber nahe: Dieser bundesweite Wert könnte zu kurz greifen.
Die Studie, für die Daten des deutschen Bundesamts für Arbeit aus 2016 ausgewertet wurden, läuft noch bis Herbst. Erste Zwischenergebnisse hat nun aber die deutsche "Welt" publik gemacht. Sie zeigen: Der Gender Pay Gap reicht je nach Regionen von 38 Prozent bis minus 17 Prozent. Um diese Zahlen zu untermauern, werden gleich zwei plakative Extrembeispiele gegeben. Im niederbayerischen Landkreis Dingolfing-Landau, wo BMW sein größtes europäisches Werk hat, verdienen Männer 38 Prozent mehr. In Cottbus in der ehemaligen DDR verdienen die Frauen 17 Prozent besser. Das Interessante dabei: Die Frauen verdienen in beiden Regionen relativ gleich viel - hier 2791 Euro, dort 2814 Euro. Aber das Gehalt der Männer unterscheidet sich mit 4531 Euro in Bayern zu 2398 Euro in Brandenburg massiv.
An Industriestandorten verdienen Männer am besten
Die Forscher vom IAB wollen nicht ihren finalen Ergebnissen vorgreifen, aber in einer ersten Stellungnahme gegenüber der deutschen Zeitung heißt es: "Es scheint so zu sein, dass die Verfügbarkeit bestimmter Jobs für Männer in einer Region entscheidend ist dafür, wie der Gender Pay Gap dort ausfällt." An Industriestandorten wie Dingolfing-Landau, wo BMW sitzt, oder Audis Heimstätte Ingolstadt scheine die "spezielle Jobstruktur" "Männern mehr zugutezukommen als Frauen". In Regionen der ehemaligen DDR wie Cottbus oder Schwerin, die weniger stark ausgebildete Industrie und auch weniger dominante Konzerne vorweisen können, ist das Bild umgekehrt: Hier verdienen die Frauen im Vergleich sehr gut, und teils sogar mehr als die Männer.
Dass die hoch bezahlten Jobs in Deutschland nicht gleich auf Ost und West verteilt sind, ist keine Überraschung. Was die Studienautoren aber nun andeuten: In Westdeutschland gibt es bessere Aufstiegschancen und höhere Lohnkurven - und das vor allem für Männer. Belegen könne man das aber noch nicht endgültig, heißt es.
"Der nationale Wert trägt nicht mehr"
Trotz aller Brisanz muss man vor allem eines bei der Studie in Betracht ziehen: In die Auswertung sind nur die Daten von Sozialversicherungspflichtigen eingeflossen, die Vollzeit arbeiten. Die - meist weiblichen - Teilzeitkräfte fehlen. Wie relevant dieser Teil der Arbeitnehmer aber ist, zeigt sich etwa an Zahlen aus Österreich: Laut Statistik Austria arbeiteten 2016 47,7 Prozent der Frauen in Teilzeit. Durch die Ausklammerung der Teilzeitbeschäftigten kam das IAB auf einen bundesweiten Pay Gap von 14 statt 21 Prozent. Bevor die endgültigen Resultate vorliegen, trauen sich die Forscher aber schon einen Befund zu: "Die regionalen Unterschiede sind so extrem. (...) Der pauschale Wert trägt nicht mehr."
(Red.)