Benito Mussolini "Superstar"

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Aus dem "Duce" kann man noch heute Kapital schlagen, politisch und finanziell. Der "lockere" Umgang mit der Duce-Zeit hat auch mit Geschichtsschreibung über diese dunkle Periode zu tun.

Er hatte sein Publikum gefesselt: mit Brandreden über Italiens Größe, Italiens „Feinde“ und die Notwendigkeit von Krieg und Eroberung. Heute noch scheinen die Ansprachen von Benito Mussolini nicht wenige zu faszinieren – zumindest in Italien. Dort war „iMussolini“, eine Sammlung der Reden des faschistischen Diktators, eines der am häufigsten heruntergeladenen Programme für das Apple-Mobiltelefon iPhone. Dort werden auch offen Weinflaschen mit dem Duce-Konterfei verkauft. Und in Mussolinis Geburtsort, Predappio, und am Gran Sasso, wo er inhaftiert war, zeichnet man in Ausstellungen ein wohlwollendes Bild von Leben und Taten des Gewaltherrschers.

Eine Hitler-Schau in Braunau oder am Berghof, in der der NS-Verbrecher verherrlicht wird – das wäre undenkbar. Dass eine Verwandte des Diktators im deutschen Parlament sitzt, Rechtsaußenpolitik betreibt und dabei aus ihrem Nachnamen politisches Kapital schlägt, ebenso. In Italien ist Alessandra Mussolini aber Teil der politischen Normalität. Außerhalb der Landesgrenzen ernten Italiener freilich nur Unverständnis ob des „unverkrampften“ Verhältnisses zur Vergangenheit.

Um ein Wiederaufleben des Faschismus in Italien geht es dabei aber nicht. Es geht vor allem um seine Kommerzialisierung: Mit Mussolini kann man eben aufregen – und Aufmerksamkeit erregen. Das weiß niemand besser als Medienzampano Silvio Berlusconi: Der „Duce“ habe doch niemanden umgebracht und Gegner nur „auf Urlaub“ ins Exil geschickt, behauptete der Premier vor Jahren in einem Interview. Und erntete die erwünschten Schlagzeilen.

Politisierte Geschichte

Dieser „lockere“ Umgang mit der Duce-Zeit hat auch mit Geschichtsschreibung über diese dunkle Periode zu tun: Sie war – und ist immer noch – politisiert. Jahrelang war die offizielle Historiografie von der Linken dominiert. Jede Kritik am Mythos des Widerstandskampfs gegen den Faschismus und die deutsche NS-Besatzung 1943–45 (was immer in einem Atemzug genannt wurde) wurde als rechter Revisionismus verpönt. Erst seit etwa einem Jahrzehnt wird akzeptiert, von inneritalienischem Konflikt, also „Bürgerkrieg“, zu reden, wenn es um den Kampf zwischen Partisanen und Faschisten 1943–45 geht. Davor galt: Die (Selbst-)Befreiung Italiens war vor allem die Befreiung von einer fremden Macht.

Dieser „Gründungsmythos“ der Nachkriegsrepublik half, das Bild eines demokratischen Italien zu etablieren, das sich selbst vom Joch der ausländischen Unterdrücker befreite. Niemand war daran interessiert, alte Wunden aufzureißen und instabile, bürgerkriegsähnliche Zustände heraufzubeschwören. Nichts befürchteten die USA und ihre Alliierten so sehr wie eine Machtübernahme der in Italien mächtigen kommunistischen Partei. So prägten diese auch das Bild des „gutmütigen Faschisten“ mit: Unter den Teppich gekehrt wurde, dass Italien auf dem Balkan und in Afrika schwere Kriegsverbrechen begangen hatte.

Vergessen und verharmlosen, um zu befriedigen – das galt auch für die politische Realität. Eine „Entfaschistisierung“ gab es nicht. Ganze Behörden wurden vom Faschismus eins zu eins übernommen. Bereits 1948 wurde ein Gesetz zurückgezogen, das die Kündigung faschistischer Beamte aus dem öffentlichen Dienst vorsah. In Schulen, an den Universitäten, in Ministerien und Behörden saßen dieselben Leute, die auch unter dem „Duce“ gedient hatten. Mit offenen Armen wurden übrigens alle „Antikommunisten“ von der neuen „Massenpartei“, den Christdemokraten, aufgenommen.

Zwar wurde per Gesetz die Gründung einer faschistischen Partei verboten. De facto aber gab es sehr wohl eine Partei, die sich ganz offen zu ihren faschistischen Wurzeln bekannte: die MSI. In ihrem Parteisymbol war der Sarg Mussolinis abgebildet, eine kleine Flamme steht für seine „Wiedergeburt“. Dieses Symbol überlebte auch den Postfaschismus: Es befand sich auch im Emblem der von Gianfranco Fini gegründeten „Alleanza Nazionale“ .

AUF EINEN BLICK

Duce-Kult. Der Umgang der Italiener mit ihrer faschistischen Vergangenheit sorgt immer wieder für Aufsehen. So gibt es in Italien Museen über das Leben und Wirken des faschistischen Diktators. Im ganzen Land kann man Mussolini-Wein kaufen. Und auch Politiker schrecken nicht davor zurück, den Duce zu loben.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.02.2010)

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