Asylfall Mirilo: Kontaktmann der serbischen "Skorpione"

JOVAN MIRILO
JOVAN MIRILO(c) APA/Katharina Gossow (Katharina Gossow)
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Der Serbe fürchtet um sein Leben. Er half mit, ein Video an die Öffentlichkeit zu bringen, auf dem die Erschießung von Bosniaken durch Einheiten der serbischen Sondereinheit "Skorpione" zu sehen ist.

WIEN. Die Entscheidung, dem serbischen Bruno-Kreisky-Preisträger Jovan Mirilo kein Asyl in Österreich zu gewähren, sorgt weiter für Aufregung. Sogar das BZÖ forderte am Mittwoch die Innenministerin auf zu überprüfen, ob Mirilo nicht doch Asyl gewährt werden müsse.

Der Serbe fürchtet um sein Leben, da er mithalf, ein Video an die Öffentlichkeit zu bringen, auf dem die Erschießung von Bosniaken durch Einheiten der serbischen Sondereinheit „Skorpione“ zu sehen ist. Die Aufnahmen entstanden während des Massakers von Srebrenica 1995. Damals ermordeten bosnisch-serbische und serbische Truppen rund 8000 bosniakische Männer und Burschen.

Nata?a Kandi?, Chefin des Humanitarian Law Centers in Belgrad, hatte dafür gesorgt, dass das Videoband im serbischen Fernsehen gesendet wurde und dass die Männer, die als Täter identifiziert wurden, in Serbien ins Gefängnis kamen. Und sie hatte das Video schließlich an das Haager Kriegsverbrechertribunal weitergeleitet, wo es als Beweisstück für die Hintermänner des Srebrenica-Massakers dient.

Ex-Skorpione wollten reden

Im Gespräch mit der „Presse“ berichtet Kandi?, wie sie an die Aufnahmen gelangte und welche Rolle dabei Jovan Mirilo spielte: „Ich erhielt das Band im November 2004 von einem Mitglied der Sondereinheit Skorpione. Als er zu mir kam, wurde er von Mirilo begleitet.“ Das Hinrichtungsvideo war in der Kamera des Skorpions, gefilmt haben dürfte es aber einer seiner Kameraden. Das Ex-Mitglied der Sonderheit habe sich an sie gewandt, um anderen zuvorzukommen, die das Band offenbar verkaufen wollten, erzählt Kandi?.

Mirilo hatte die Menschenrechtsaktivistin das erste Mal im Jahr davor getroffen. Damals hatte er ein Gespräch mit G., einem anderen Angehörigen der Sondereinheit Skorpione, vermittelt. „Mirilo rief mich an und sagte mir, dass einer der Skorpione mit mir sprechen möchte.“ G. habe Kandi? berichtet, dass seine Einheit am Srebrenica-Massaker beteiligt gewesen sei. Das war eine wichtige Information: Denn die einstige serbische Führung rund um Slobodan Milo?evi? beteuerte stets, für Srebrenica seien ausschließlich die bosnischen Serben verantwortlich. Die Skorpione waren aber keine bosnisch-serbische Einheit, sie unterstanden Belgrad.

Kandi? hatte schon damals die Verbrechen in Srebrenica recherchiert. G.'s Aussage brachte sie auf die Spur der Skorpione. Den endgültigen Beweis für die Verwicklung der serbischen Sondereinheit erhielt Kandi? dann eben im November 2004, als sie das Hinrichtungsvideo in Händen hielt.

„Der Überbringer des Videos erzählte mir, er habe sich an Mirilo gewandt, damit dieser den Kontakt zu mir herstelle.“ Denn er habe gewusst, dass Mirilo schon das Gespräch mit G. organisiert hatte. Dass die Beteiligung der Skorpione am Srebrenica-Massaker aufflog, sei in erster Linie den beiden Mitgliedern der Sondereinheit zu verdanken, die bereit waren mit ihr zu reden, sagt Kandi?. Aber auch Mirilo habe eine positive Rolle gespielt, da er den Kontakt zu den beiden hergestellt habe. Die beiden Skorpion-Veteranen wurden ins Zeugenschutzprogramm des Haager Tribunals aufgenommen.

Der Vermittler wird bedroht

Doch auch Mirilo und seine Familie wurden in Serbien bedroht. „Er bat mich, ein Schreiben an die serbische Polizei zu schicken, damit sie ihn beschützt“, erzählt die Menschenrechtsaktivistin. „Die Polizei versprach, die Drohungen gegen ihn zu überprüfen.“

Mirilo flüchtete mit seiner Frau und seinen Kindern schließlich nach Österreich, um Asyl zu erhalten – doch das will man ihm offenbar nicht gewähren.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.02.2010)

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