Srebrenica-Aufdecker: "Habe alle Infos gegeben"

Jovan Mirilo
Jovan Mirilo(c) APA/Katharina Gossow (Katharina Gossow)
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Jovan Mirilo beharrt im Gespräch mit der "Presse" darauf, eine wichtige Rolle bei der Beschaffung des Srebrenica-Videos gespielt zu haben. Österreichs Behörden wollen ihm Asyl verwehren.

wien. Jovan Mirilo wirkt müde. „Mein Leben, das Leben meiner Frau und meiner Kinder ist kaputt“, seufzt der Serbe. Jovan Mirilo hat in den vergangenen Tagen in Österreich und mittlerweile auch in Serbien für mediales Aufsehen gesorgt. Denn Österreichs Behörden wollen ihm Asyl verwehren. Ihm, der mitgeholfen hat, ein Video über Erschießungen in Srebrenica 1995 an die Öffentlichkeit zu bringen. Und der dafür mit dem Bruno-Kreisky-Menschenrechtspreis ausgezeichnet wurde. Der Fall wird in Österreich nun auch zum Politikum: Am Donnerstag richteten die Grünen eine parlamentarische Anfrage an die Innenministerin wegen „dubioser Ermittlungstätigkeiten im Asylverfahren Jovan Mirilo“.

„Ich kann mir nicht erklären, warum die Asylbehörde die Ablehnung meines Asyls so brutal formuliert hat“, meint Mirilo zur „Presse“. „Ich habe der Behörde alle Infos gegeben. Doch sie wollen sie nicht lesen. Sie haben sie einfach ignoriert.“

„Skorpione machten Scherze“

Das Asylamt gelangt in seinem Bescheid zur Feststellung, dass Mirilo den Bruno-Kreisky-Preis eigentlich gar nicht verdient habe und gleichsam ein Schwindler sei. So heißt es etwa auf Seite 85: „Auch diese Ermittlungsergebnisse zeigen ein in sich stimmiges Bild und legen plausibel dar, dass Sie in Ihrem ganzen Verfahren Unwahrheiten vortrugen.“

Das Asylamt zieht unter anderem in Zweifel, dass Mirilo maßgeblich an der Beschaffung des Srebrenica-Exekutionsvideos mitgewirkt habe. Das Band war 2005 veröffentlicht worden und hat vor allem in Serbien für Aufsehen gesorgt. Darauf ist zu sehen, wie Angehörige der serbischen Spezialeinheit „Skorpione“ bosniakische Männer erschießen. Das Video dient dem Kriegsverbrechertribunal in Den Haag als Beweis für die direkte Verstrickung des serbischen Milosevic-Regimes in das Srebrenica-Massaker, bei dem 1995 8000 bosniakische Männer getötet wurden. Die serbische Sondereinheit „Skorpione“ ist mittlerweile zerschlagen, viele ihrer Angehörigen sitzen in Serbien wegen Verbrechen im Kosovo und in Bosnien im Gefängnis.

Die serbische Menschenrechtsaktivistin Natasa Kandic bestätigte im Gespräch mit der „Presse“, dass Mirilo den Kontakt zu zwei ehemaligen Angehörigen der „Skorpione“ hergestellt habe. Einer davon übergab ihr das Srebrenica-Video. Kandic wird auch im Bescheid des Bundesasylamts zitiert. Ihre Aussagen werden aber vor allem in die Richtung interpretiert, dass Mirilo seine Verdienste bei der Beschaffung des Bandes und der Klärung anderer Kriegsverbrechen übertrieben habe.

„Ich habe die beiden Ex-Skorpione erst ermutigt, zu reden und an die Öffentlichkeit zu gehen“, meint Mirilo. Goran Stoparic war der erste Veteran der Spezialeinheit, den Mirilo 2003 an Kandic vermittelte. Damals ging es darum, Zeugen in einem Prozess wegen Verbrechen der „Skorpione“ im Kosovo aufzutreiben. Einige Ex-Angehörige der Sondereinheit hätten rund um seine Heimatstadt ?id gelebt, berichtet Mirilo. „Sie saßen im Kaffeehaus und machten Scherze darüber, dass das Gericht keine Zeugen finden konnte.“ Deshalb habe er Ex-Skorpion Stoparic überredet, an die Öffentlichkeit zu gehen, und sich an die Menschenrechtlerin Kandic gewandt.

Ebenso habe er den Zeugen Dusan Kosanovic aufgetrieben, den Mann, der Kandic später das Srebrenica-Video übergab. Kosanovic hatte ebenfalls den „Skorpionen“ angehört. Mit seiner Kamera war die Erschießung der Bosniaken gefilmt worden.

„Treffen in meiner Wohnung“

„In Sid wurde ständig über diesen Film geredet. Es gab Gerüchte, man könne ihn an Den Haag verkaufen.“ Es dürfte ein offenes Geheimnis gewesen sein, dass Kosanovic das Video in seinem Besitz hat. Nachdem mehrmals bei Kosanovic eingebrochen worden sei, habe dieser Angst bekommen, berichtet Mirilo. Deshalb habe er den Kontakt zur Menschenrechtlerin Kandic hergestellt. Dass er Kosanovic nur zur Filmübergabe in Kandics Belgrader Büro begleitet habe, stellt Mirilo in Abrede. „Wir haben uns mehrfach mit Kandi? getroffen, in meiner Wohnung in Sid.“ Der Ex-Skorpion sei auch bereit, nach Wien zu kommen und alles zu bestätigen, sagt Mirilo. Derzeit lebt Kosanovic außerhalb Serbiens, unter dem Schutz des Haager Tribunals. Kosanovics Bruder wurde in Serbien erschossen.

HINTERGRUND

Im Juli 1995 eroberten Truppen der bosnischen Serben unter General Ratko Mladic die UN-Schutzzone Srebrenica. Nach dem Ende der Kämpfe wurden 8000 muslimische Männer und Burschen aus der Stadt auf Lastwagen verladen und an mehreren Orten rund um Srebrenica ermordet. Dass an dem Massaker auch eine serbische Sondereinheit beteiligt war, bewies 2005 ein Video.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.02.2010)

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