Experte gegen strengere Strafen bei "religiöser Gewalt"

Gericht, Rechtsprechung, Justiz, Gerichtssaal, Landesgericht Wr. Neustadt  Foto: Clemens Fabry
Gericht, Rechtsprechung, Justiz, Gerichtssaal, Landesgericht Wr. Neustadt Foto: Clemens Fabry(c) Presse (Clemens Fabry)
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"Areligiös motivierte Gewalt ist nicht weniger verwerflich als religiös motivierte Gewalt", sagt der Strafrechtler Helmut Fuchs. Der geplante Erschwerungsgrund sei "absolut unnötig". Skeptisch reagiert auch die Kirche.

Helmut Fuchs, Vorstand des Instituts für Strafrecht und Kriminologie an der Universität Wien, kritisiert die geplante Festschreibung von "religiöser Gewalt" als Erschwerungsgrund im Strafrecht. "Areligiös motivierte Gewalt ist nicht weniger verwerflich als religiös motivierte Gewalt", betont Fuchs. Eine Objektivierung wäre nicht möglich, zumal ein religiöses Motiv eventuell auch strafmildernd wirken könne. Auch Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ) hält wenig von dem Vorschlag: Stattdessen solle Gewalt in der Familie gegen Schwächere als Erschwerungsgrund gelten.

Geht es nach Justizministerin Claudia Bandion-Ortner, soll der religiösen Hintergrund von Verbrechen künftig als "Erschwerungsgrund" im Strafrecht festgeschrieben werden. Gerichte würden somit dazu angehalten, nach einem entsprechenden Schuldspruch eher höhere Strafen zu verhängen.

Fuchs: "Absolut unnötig"

Laut Fuchs haben Richter bei der individuellen Strafbemessung schon jetzt ausreichend Instrumentarien zur Verfügung, um die individuelle Schuld und Verantwortlichkeit eines Täters zu bewerten. "Eine neue Gesetzesklausel ist absolut unnötig. Richter haben genügend Möglichkeiten, religiöse Motive bei der Strafbemessung je nach Gegebenheit mildernd oder erschwerend zu beurteilen. Das soll so bleiben". Das religiöse Motiv zu einem objektiven Gesichtspunkt zu machen, ohne dabei die individuelle Schuld zu berücksichtigen, wäre "sachwidrig".

"Bei der Strafbemessung kommt es auf die individuelle Schuld des Täters an. Außerdem kann das religiöse Motiv in zwei Richtungen gehen", so Fuchs. Zum einen könnte etwa besondere Grausamkeit oder Menschenverachtung zu einer höheren Strafe führen. Zum anderen könnte ein Fall von religiösem Wahn etwa als herabgesetzte Zurechnungsfähigkeit gewertet und somit milder bestraft werden.

Kirche skeptisch

Frauenministerin Heinisch-Hosek hält von der Vermischung von Religion und Strafrecht wenig: "Ich glaube, dass man das trennen sollte." Delikte wie Genitalverstümmelung oder Ehrenmorde hätten weniger mit Religion als vielmehr mit Tradition und Machtstrukturen zu tun.

Ähnlich sieht es die katholische Kirche: "Ich glaube das ist der Import einer Diskussion aus anderen Ländern", erklärte Erich Leitenberger, Pressesprecher der Erzdiözese Wien. Wenn es um Ehrenmorde oder "dubiose Volksbräuche" geht, habe dies nichts mit Religion zu tun. "Einfach 'Religion' zu sagen, scheint mir voreilig zu sein", so Leitenberger.

(APA)

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