Den Streitkräften des Machthabers Bashar al-Assad gelang ein Erfolg bei der Offensive gegen Ost-Ghouta. Sie trieben einen Keil in die belagerte Rebellenenklave nahe Damaskus – und setzten dabei angeblich Giftgas ein. Die Lage der Zivilisten wird immer dramatischer.
Tunis/Damaskus. Die Lage der Eingeschlossenen in Ost-Ghouta nahe der syrischen Hauptstadt Damaskus wird immer dramatischer. Nach weiteren schweren Luftangriffen auf die Städte Saqba und Hammuriyeh mussten am Donnerstag mehr als 60 Menschen, darunter zahlreiche Kinder, wegen Erstickungsanfällen und Atemnot, Schwindel und Hautverätzungen notversorgt werden. Den Symptomen nach zu urteilen könnte das erneut ein Angriff mit Chlorgas gewesen sein, erklärte die Syrian American Medical Society, die Kliniken vor Ort unterstützt. Bewohner berichteten auch über Einsatz von Phosphormunition und Fassbomben.
Viele Opfer blieben in den vergangenen Tagen einfach auf den Straßen liegen, weil niemand sie in dem pausenlosen Beschuss bergen konnte. Nach Angaben der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte in London verloren in den vergangenen drei Wochen mehr als 900 Menschen ihr Leben. Gleichzeitig wird die Lage der Rebellen in dem umkämpften Gebiet immer aussichtsloser. Denn die Bodentruppen des Assad-Regimes kontrollieren inzwischen mehr als die Hälfte des Territoriums.
Wegen der heftigen Kämpfe mussten Hilfsorganisationen am Donnerstag einen zweiten Konvoi für die Not leidenden Menschen vorerst absagen. Unter diesen Umständen könne man nicht fahren, hieß es als Begründung. Ein erster Transport am Montag hatte die Enklave zwar erreicht, musste aber seinen Einsatz wegen des heftigen Beschusses vorzeitig abbrechen. In der kurzen Zeit vor Ort konnten die Helfer nur die Hälfte der Lebensmittel abladen. Medikamente, Infusionen, Dialyseflüssigkeit und Insulin hatten sie auf Befehl von Regime-Inspektoren gar nicht erst mitnehmen dürfen.
Ein Kommandant der syrischen Armee erklärt, seinen Truppen sei es gelungen, einen Keil in das Rebellengebiet von Ost-Ghouta zu treiben und die Enklave mit ihren 400.000 Bewohnern in zwei Teile aufzuspalten. Abertausende Menschen versuchten, sich vor der heranrückenden Front in das Innere der Städte zu retten, wo es jedoch keinerlei Platz mehr in den Schutzräumen gibt. Für den bevorstehenden Sturmangriff verlegte das Oberkommando in Damaskus weitere 700 Milizionäre von Aleppo an die westlichen Ränder von Ost-Ghouta.
Erst vor wenigen Tagen hatte Frankreichs Präsident Emanuel Macron gedroht, im Fall eines erneuten Giftgasangriffs das Assad-Regime unter Beschuss nehmen. Nach Angaben der „Washington Post“ berieten auch US-Präsident Donald Trump und sein Sicherheitskabinett über eine derartige Militäraktion. Nach Angaben des Blatts trafen sie jedoch bisher keine Entscheidung, vor allem weil Verteidigungsminister James Mattis strikt gegen eine solche Intervention ist. Ein Pentagonsprecher bestritt, dass ein solches Gespräch stattgefunden habe.
Gipfeltreffen in Istanbul am 4. April
Unterdessen wurde bekannt, dass der vom türkischen Präsidenten, Recep Tayyip Erdoğan, im Februar angekündigte Syriengipfel in Istanbul mit Kreml-Chef Wladimir Putin und Irans Präsidenten Hassan Rohani am 4. April stattfindet. Das berichtete die türkische Nachrichtenagentur Anadolu. Türkei, Iran und Russland verstehen sich als die drei Garantiemächte des Astana-Prozesses. Dieser sieht vier Deeskalationszonen in Syrien vor, um das Feuer des Kriegs nach und nach auszutreten. Eigentlich gehören auch Ost-Ghouta und Idlib dazu. Doch dieser Plan hat nie funktioniert, auch weil Diktator Bashar al-Assad jeden Kompromiss mit seinen Gegnern ablehnt und „jeden Zentimeter“ des Staatsgebiets zurückerobern will.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.03.2018)