Studie: Brexit kommt Österreichs Industrie teuer zu stehen

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ARCHIVBILD: MAGNA PRODUKTIONAPA/MARKUS LEODOLTER
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In Österreich wären die Branchen Maschinenbau und Automobilindustrie am stärksten betroffen. Die Gesamtkosten für die Unternehmen in der EU werden auf 37 Mrd. Euro geschätzt. Weitere 32 Mrd. Euro kämen auf die Briten zu.

Auf Unternehmen in der EU und dem Vereinten Königreich (UK) kommen im Falle eines harten Brexit . ohne neues Abkommen zwischen der EU und Großbritannien - hohe Kosten zu. Auf 69 Milliarden Euro jährlich beziffert eine neue Analyse die direkten Kosten für Unternehmen dies- und jenseits des Kanals. 37 Milliarden entfallen auf EU27- und 32 Milliarden Euro auf UK-Firmen. Die Kosten verteilen sich auf verschiedene Industrien, ganz vorne mit dabei ist die Automobilindustrie. Die Studie wurde am Montag veröffentlicht.

Sollten die EU und Großbritannien sich nicht auf ein neues Abkommen über ihre Wirtschaftsbeziehungen einigen, würde der Handel künftig gemäß den Vorschriften der Welthandelsorganisation WTO geregelt. Sollte es jedoch nach dem Brexit eine Art Zollunion geben, würde dies die Kosten für beide Seiten in etwa halbieren, so die Studie. Eine Zollunion lehnt die britische Premierministerin Theresa May jedoch ab, weil sie sich nicht dabei einschränken lassen möchte, eigene Handelsabkommen mit Staaten wie China oder Indien abzuschließen.

Brexit kommt Finanz- und Autobranche teuer zu stehen
Brexit kommt Finanz- und Autobranche teuer zu stehen(c) Oliver Wyman (Oliver Wyman)

Deutschland am stärksten betroffen

Am stärksten betroffen wären in der EU27 Unternehmen in Deutschland. Auf sie kommt laut einem neuen Oliver Wyman-Report mit neun Milliarden Euro an jährlichen Kosten ein Viertel der gesamten auf die EU27 entfallenden Kosten zu. Für andere EU-Länder gibt es noch keine konkreten Zahlen. Im Vereinten Königreich würde der größte Teil - etwa ein Drittel von 32 Milliarden Euro - auf die Finanzdienstleistungsindustrie fallen.

In Österreich wäre vor allem der Maschinenbau, die Automobil-sowie die Luft- und Raumfahrtindustrie sehr stark betroffen, sagte Finja Carolin Kütz, bei Oliver Wyman Leiterin des Geschäftes in Deutschland und Österreich, im Gespräch mit der APA. Gerade diese Industriezweige würden in ihren Lieferketten häufig Waren über den Kanal hin- und herschicken.

Brexit kommt Finanz- und Autobranche teuer zu stehen
Brexit kommt Finanz- und Autobranche teuer zu stehen(c) Oliver Wyman (Oliver Wyman)

"Was auf der einen Seite große Kosten bedeutet, ist aber auch eine Herausforderung, die Unternehmen lösen können, indem sie ihre Lieferketten anpassen und stärker auf Lieferanten innerhalb der EU setzen", so Kütz.

Chance bei Nicht-Zoll-Hürden

Die Beratungsgesellschaft hat den Report gemeinsam mit der Wirtschaftskanzlei Clifford Chance erstellt. Dabei wurden speziell zwei Punkte angesehen, nämlich Zölle und nicht-tarifäre - in der Regel regulatorische - Handelshemmnisse. Änderungen im volkswirtschaftlichen Klima oder der Währungen wurden nicht berücksichtigt.

"Was die Zölle angeht, können Unternehmen relativ wenig tun, aber bei den Nicht-Zoll-Barrieren können sie schon das eine oder andere machen, indem sie sich darauf vorbereiten und zum Beispiel eine vernünftige IT-Infrastruktur haben", sagte Kütz. Im Moment sei das aber nicht der Fall.

Unterschiede zeigen sich laut Kütz, was die Vorbereitung der Unternehmen auf den Brexit betrifft. Große Unternehmen würden sich schon Gedanken machen, kleinere seien dagegen überhaupt noch nicht darauf eingestellt, den auf sie zukommenden Grenzverkehr zu managen. Für diese Firmen wäre das jetzt ein grundsätzlicherer Schritt, was komplett Neues.

Lieferketten adaptieren

"Für große Unternehmen stellt sich - wenn sie kleine Firmen in der Lieferkette haben - die Frage, ob die Industrieverbände sicherstellen werden, dass kleine Zulieferer weiterhin liefern können. Oder ob sie selbst die Initiative ergreifen und ihre Zulieferer bei den aufkommenden regulatorischen Hürden unterstützen sollten", so Kütz.

Kütz rät den betroffenen Unternehmen, alle Lieferanten- und Absatzbeziehungen durchzugehen und zu fragen, wo es zu einem Grenzübertritt kommt, welcher der Sublieferanten davon betroffen ist, welche Regularien dabei relevant sind, was es kostet und wie sie sich operativ darauf vorbereiten können. Unter Umständen müsste die Lieferkette angepasst werden, um Risiken zu minimieren.

"Oft sind es relativ kleine Unterbrechungen in der Lieferkette, die Unternehmen in der Fertigung ihres Produktes oder ihrer Dienstleistung komplett aus der Bahn werfen können", so Kütz, und erinnert an den Atomunfall in Fukushima. Damals seien viele Industrien ganz nervös geworden, weil viele Halbleiterprodukte in Japan hergestellt wurden. Diese Anpassungen der Lieferkette müssten jetzt gemacht werden, "um nicht ein böses Erwachen zu haben", so Kütz.

(APA)

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