Das Wachstum bleibt hoch, aber die Dynamik flacht sich bald ab. Für einen positiven Budgetsaldo reicht der Rückenwind kaum. Richtig gerechnet bleibt ein strukturelles Defizit von fast einem Prozent. Die Botschaft lautet: Sparen.
Wien. Eine Woche früher als ursprünglich geplant haben Wifo und IHS ihre Frühjahrsprognose präsentiert. Warum? Finanzminister Hartwig Löger (ÖVP) braucht die Zahlen für sein erstes Budget, das er am kommenden Mittwoch präsentieren will. Mit diesem Auftritt wäre auch die Katze der Wirtschaftsforscher aus dem Sack gewesen. Wer sich aber nun eine besonders laute Jubelbotschaft erwartet hat, die der Regierung das Haushalten zum Kinderspiel macht, wurde enttäuscht. Zwar befinden wir uns noch mitten in einer Hochkonjunktur und erleben das stärkste Wachstum seit zehn Jahren. Aber der Zenit dürfte erreicht sein.
Vorlaufindikatoren aus der Industrie deuten es an; die Investitionen boomen fast nie länger als zwei Jahre. Ab dem Sommer sollte sich die Dynamik abschwächen. Wann genau und wie stark, da sind sich die Auguren nicht ganz einig. So erwartet das Wifo – nach den 2,9 Prozent in 2017 – für das heurige Gesamtjahr noch einen etwas stärkeren BIP-Zuwachs von 3,2 Prozent, das IHS aber „nur“ mehr 2,8 Prozent (auch deshalb, weil die Sparquote wieder anziehe, was den Konsum dämpft). Die Arbeitslosigkeit geht weiter zurück, aber nicht so stark, wie es das immer noch stürmische Wachstum nahelegt. Denn die unvermindert kräftig steigende Beschäftigung speist sich nur zum Teil aus dem Pool der Arbeitslosen. Wer schon lange keinen Job hat oder über 50 ist, bleibt oft schwer vermittelbar. Hier zeigt sich erst seit Jänner eine leichte Besserung.
In Summe heißt das: Der Rückenwind für den Fiskus ist nicht stark genug, um das verheißene Nulldefizit zu einem Selbstläufer zu machen (davon ging zuletzt SPÖ-Klubobmann Andreas Schieder aus – und heftete den Erfolg an die Fahne der Vorgängerregierung). Das Wifo ist noch recht gnädig: 0,3 Prozent Defizit für heuer, ein hauchdünnes Plus im kommenden Jahr. Dabei sind angekündigte, aber noch nicht umgesetzte Maßnahmen nicht enthalten. Vor allem der Familienbonus wird ab 2019 das Budget erheblich belasten. Dazu kommt die wieder gesenkte Mehrwertsteuer für Hotelübernachtungen. Einsparungen in der Arbeitsmarktpolitik wie das Ende der Aktion 2020 und des Beschäftigungsbonus machen die Mehrausgaben noch nicht wett. Die Botschaft an den Finanzminister lautet daher: Sparen.
Höchste Zeit zum Hamstern
Viel klarer noch kommt sie beim IHS rüber, das den Saldo in beiden Jahren deutlich im Minus sieht, mit 0,6 und 0,4 Prozent. Die Differenz zu den Kollegen kommt zum Teil aus dem geringeren Optimismus in Sachen BIP-Wachstum. Nicht aber von Familienbonus und Co.: Zwar setzt das IHS diese Maßnahmen an, geht aber von einer vollständigen Gegenfinanzierung aus. Diesem Vertrauensvorschuss muss Löger erst gerecht werden. Und noch einiges an Einsparungen drauflegen, um einen Bundeshaushalt im Plus abzusichern. Dabei sind sich die Experten beider Institute einig: Wann, wenn nicht bei einer so guten Wirtschaftslage, sollte der Staat Reserven für schlechtere Zeiten ansparen? Also rät Wifo-Chef Christoph Badelt zu „extremer Vorsicht bei den Ausgaben“, da schon bald mit „deutlich niedrigerem Wachstum“ zu rechnen ist.
Lässt man die Dinge so weiter laufen, rückt der ausgeglichene Haushalt wieder in weitere Ferne. Das zeigt das strukturelle Defizit, das um konjunkturelle Spitzen bereinigt ist (und um Sonderausgaben – aber die Flüchtlingskosten, um die es da ging, spielen nur mehr eine geringe Rolle). 0,9 Prozent für heuer und 0,8 Prozent für 2019 – so hoch wäre nach Wifo-Berechnung das Defizit bei einer normalen Auslastung der Wirtschaft.

Allerdings dürfte das den Finanzminister kaum nervös machen. Denn an die Kontrollore in Brüssel muss er ein anderes strukturelles Defizit melden, das eine rein technische Größe ist (statt über einen ganzen Konjunkturzyklus, der rund acht Jahre dauert, müssen sich die Abweichungen dort willkürlich bis 2022 ausgleichen). Für EU-Zwecke ergibt sich laut Wifo im kommenden Jahr ein solcherart bereinigtes Defizit von 0,4 Prozent – und das liegt haarscharf im grünen Bereich (0,5 Prozent wäre die Grenze).
Womit als Fazit bleibt: Probleme mit Brüssel wird Österreich in Jahren wie diesen kaum bekommen. Aber für einen langfristig soliden Haushalt reicht das nicht aus.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.03.2018)