An der Budgetrede können wir den Mut dieser Regierung messen

Wenn Finanzminister Hartwig Löger das Budget präsentiert, wird man sehen, ob die türkis-blaue Koalition ihre politischen Versprechen tatsächlich in Zahlen gegossen hat und einen echten Systemwechsel anstrebt.
Wenn Finanzminister Hartwig Löger das Budget präsentiert, wird man sehen, ob die türkis-blaue Koalition ihre politischen Versprechen tatsächlich in Zahlen gegossen hat und einen echten Systemwechsel anstrebt.(c) APA/GEORG HOCHMUTH
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Finanzminister Lögers Rede am Mittwoch wird zeigen, wie ernst es dieser Koalition mit der selbst ernannten "Reformpartnerschaft" ist.

Große Reformen haben wir von dieser Regierung bisher ja nicht gesehen. Der Plan, wöchentlich ein Thema vorzugeben, abzuarbeiten und damit exklusiv die Öffentlichkeit zu beschäftigen, hat der Koalitionspartner FPÖ – nicht ganz freiwillig – ein wenig durchkreuzt.

Übermorgen aber kann diese Regierung beweisen, wie ernst sie es mit der selbst ernannten Reformpartnerschaft meint. Wenn Finanzminister Hartwig Löger das Budget präsentiert, wird man sehen, ob die türkis-blaue Koalition ihre politischen Versprechen tatsächlich in Zahlen gegossen hat und einen echten Systemwechsel anstrebt.

Dabei geht es gar nicht so sehr um das Nulldefizit, das natürlich erfreulich ist und schöne Schlagzeilen liefert. Es geht vielmehr darum, wie sich diese Regierung das „Sparen im System“ konkret vorstellt. Dass man ein Budget für Österreicher macht und bei den Ausländern sparen will, wie man das am Wochenende durchsickern ließ, ist nette Propaganda der FPÖ für ihre Klientel, auf die manche Medien tatsächlich mit schnappatmender Berichterstattung reagieren. Tatsächlich wird auch deswegen weniger für Flüchtlinge und Asylanten ausgegeben, weil es schlicht weniger von ihnen gibt.

Ein Systemwechsel sieht anders aus und setzt bei anderen Punkten an. Bei den direkten Förderungen des Bundes etwa, die vergangenes Jahr bei fast sechs Milliarden Euro lagen. Oder bei Änderungen im Sozialsystem, die von internationalen Experten fast jährlich gefordert werden. Reformen im bald nicht mehr zu finanzierenden Pensionssystem wären dringend notwendig und wurden von allen Regierungen stets aufgeschoben – in der Hoffnung, dass man irgendwann nicht mehr dafür verantwortlich ist.

Man muss sich trauen, dem Staat eine Schlankheitskur zu verordnen und den Menschen lieb gewonnene Förderungen und Leistungen wegzunehmen. Diesen Mut kann Löger stellvertretend für die Regierung am Mittwoch beweisen.

Die bisherigen Aussagen und durchgesickerten Budgetzahlen lassen allerdings befürchten, dass es keine Mutprobe geben wird. Man wolle kein Blut-Schweiß-und-Tränen-Budget präsentieren, weil man der Opposition nicht leichte Angriffsziele bieten wolle, heißt es hinter vorgehaltener Hand.

Dafür opfert man sogar das Versprechen, die kalte Progression abzuschaffen – also die schleichende Steuererhöhung durch die Nichtanpassung der Steuerstufen an die Inflation. In der SPÖ-ÖVP-Regierung riskierte die Volkspartei deswegen einen veritablen Konflikt mit dem Koalitionspartner – vielleicht in der stillen Hoffnung, dass der deswegen die Koalition platzen lässt. Jetzt wird die Abschaffung nicht einmal mehr diskutiert, man ist offenbar dankbar für die heimlichen Zusatzeinnahmen.

Aber wann, wenn nicht jetzt, ist der richtige Zeitpunkt für harte Einschnitte? Die Regierung muss sich nur einig sein (dafür sollte man vielleicht Sozialministerin Beate Hartinger-Klein ein Interviewverbot erteilen) und ähnlich zusammenstehen, wie sie das – unverständlicherweise – beim Rauchverbot in der Gastronomie macht. Dann können ÖVP und FPÖ große Änderungen in allen Bereichen realisieren. Die nächste Nationalratswahl findet (regulär) erst 2022 statt, bis dahin haben die Österreicher die Einschnitte schon wieder vergessen, die zudem nicht zwangsläufig zu einer Abstrafung führen müssen. Wie erklärte sich sonst die Liebe der Bevölkerung zu den Finanzministern, die dafür sorgt, dass auch jetzt wieder der eher farblose Löger bei den Sympathiewerten ganz weit vorne liegt?

Außerdem hätte man mit einem restriktiven Sparbudget das Geld, um die Entlastungen in Höhe von „zwölf bis 14 Milliarden Euro“ umzusetzen, die – falls das jemand vergessen haben sollte – Sebastian Kurz im Wahlkampf versprochen hat.

Die Budgetrede am Mittwoch wird mehr als die Präsentation von Zahlen. Sie wird zeigen, wie ernst es dieser Regierung mit ihrem Versprechen einer Reformpartnerschaft ist und ob diese Koalition mehr ist als der Zusammenschluss zweier Parteien, denen es nur um Macht und Positionen ging.

E-Mails an:norbert.rief@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.03.2018)

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