Botanische Gärten erzählen nicht nur vom Artenreichtum des Planeten. Sondern auch von Wissenschaftsgeschichte, Forschungsabenteuern und verschiedensten Zugängen zur Gartenkultur.
Grün, Grün, Grün, und vielleicht dazwischen ein bisschen Rot und Gelb und Blau. Ein bisschen schattig, ein wenig duftend manche Anforderungen an "Garten" sind recht schlicht. Hauptsache, alles wächst und gedeiht. Mehr muss man manchmal nicht wissen. Auch nicht, warum man sich so wohlfühlt, wenn man zwischen all dem Grün an der frischen Luft wandelt. Andere wollen es doch genauer wissen, warum ein Garten so wirkt, wie er wirkt, auf diese biophilen Wesen, die Menschen.
Und noch dazu, was da blüht und womit es verwandt ist und warum es noch dazu so herrlich duftet. Die Liebe zum Lebendigen (Biophilie) lebt eine Spezies noch leidenschaftlicher aus als alle, die Natur nur so beiläufig genießen: die Botaniker. Vor allem auf ihrem Terrain, den botanischen Gärten. Sie bilden nicht nur ästhetischen Gestaltungswillen ab, sondern viel mehr auch wissenschaftliche Systematik, die oft ihre eigene Ästhetik entwickelt. Und das Schönste: In vielen Fällen teilen die Botaniker ihre Forschungsgrundlage gern mit Menschen, die Grün eher nur mit "grün" als mit lateinischen Namen beschreiben würden.
Rund um den Erdball, auf allen Kontinenten sind botanische Gärten entstanden, die nicht nur heimische und exotische Pflanzen sammeln und pflegen, sondern auch die Artenvielfalt und die Botanik als wissenschaftliche Disziplin. Oft sind die Anlagen zu riesigen öffentlichen Parks gewachsen, die gern auch didaktisch genutzt werden. Oder einfach nur zur Erholung. Trotzdem darf auch beim puren Sich-Erfreuen zwischen Blättern, Zweigen, Blüten und Halmen stets ein Hauch von Wissenschaftsgeschichte mitschwingen, die gerade in der Botanik oft ein Teil der Kolonialgeschichte ist.
So haben sich aus logistischen Gründen an verschiedenen Standorten der Welt die Liebe zur Natur und die Liebe zur Wissenschaft verwurzelt. Etwa in Akklimatisierungsgärten, in denen Botaniker die Pflanzenarten anbauten, bevor sie sie verschifften, auch um sie auf europäische klimatische Verhältnisse vorzubereiten. Botanische Gärten wie jener von Rio de Janeiro oder jener in Pamplemousses auf Mauritius gehören zu jenen, die unter diesen Voraussetzungen entstanden sind. So bildet sich in der Gestaltung und in der Geschichte der Gärten nicht nur der botanische Artenreichtum des Planeten ab, sondern immer auch ein kulturell-gesellschaftlicher oder politischer Kontext.
In dem Maß an ihren Standorten verwurzelt, wie manche Arten scheinen, sind viele gar nicht. Quer über den Globus haben sich zwischen den botanischen Gärten der Welt die Wege der Pflanzen und des wissenschaftlichen Austausches verästelt wie Blattadern. Samen, Stecklinge und Pflanzen reisen noch heute dorthin, wo sie gerade gebraucht werden. Gern auch mal per Post. Dann steckt im Kuvert etwa das Blatt einer Orchideenart, die den Botanikern in Wien gerade gefehlt hat. "Für eine unserer phylogenetischen Untersuchen etwa", wie Michael Kiehn, der Leiter des Botanischen Gartens in Wien, erklärt. Jedenfalls waren die Reisen der Pflanzen früher abenteuerlicher.
Da reisten sie mit dem Schiff. Geschickt aus der Ferne von Gärtnern und Botanikern, die ebenfalls geschickt worden waren. In die Ferne, von den europäischen Herrscherhäusern. Nikolaus Joseph von Jacquin war einer von ihnen, den Habsburgern sollte er einen Dienst erweisen. Denn Pflanzen waren lang nicht nur Forschungsgegenstand der Botanik, sondern auch Gegenstand eines herrschaftlichen Bedürfnisses nach Repräsentation. So füllten sich auch in Wien die botanischen Sammlungen, Gärten und Gewächshäuser. Nicht nur jene der Universität, sondern auch jene des Hofes. So üppig geriet die Sammlung, erzählt Michael Kiehn, dass Alexander von Humboldt genau wusste, wo er sich auf seine Südamerikareise vorbereiten konnte: in Wien.
Vielfalt
"Was schön blüht, schön fruchtet, groß und repräsentativ ist", so ungefähr muss das Briefing gelautet haben, mit dem Jacquin schließlich nach Südamerika fuhr, erzählt Kiehn. In einem Zeitalter, als Kupferstecher, so Kiehn, auch den amerikanischen Agaven quer durch Europa gefolgt sind. Immer dorthin, wo sie sich nach 25 Jahren endlich anschickten, zu blühen. Am besten in Gegenwart eines Vertreters des lokalen Herrscherhauses. Aber Jacquin, er war der zweite Direktor des Wiener Botanischen Gartens, brachte auch ein paar Pflanzen nach Hause, die nicht nur den Wiener Hof glücklich machten, sondern auch die Forscher am botanischen Institut. Der Name Jacquin hat sich jedenfalls mehrfach verewigt: im Namen der Straße, die entlang der Mauer des Botanischen Gartens in Wien verläuft. In der Hall of Fame der berühmtesten Botaniker. Aber auch in einem Projekt im Botanischen Garten von Cartagena in Kolumbien: Dort soll demnächst ein eigener Jacquin-Garten entstehen, wie Kiehn erzählt.
In Südafrika, in Kapstadt, liegt auch einer der schönsten botanischen Gärten der südlichen Hemisphäre, wie man sagt. Aus jener Region reisten ebenfalls so einige Pflanzenarten nach Wien. Vor allem Erika. Der Hofgärtner und Pflanzensammler Franz Boos hatte verschiedene Arten gemeinsam mit Georg Scholl gesammelt und, als wieder mal ein Schiff fuhr, nach Hause geschickt. Über 200 Jahre später konnte sich Österreich schließlich revanchieren. Denn zwei bestimmte Erika-Arten waren in ihrer Heimat ausgestorben. Unter der Pflege der Wiener Gärtner aber nicht. So konnte der südafrikanische Botschafter schließlich wieder ein paar Exemplare Erika in Empfang nehmen und in ihre eigentliche Heimat zurückschicken.
Im Wiener Botanischen Garten wachsen dreimal so viele Pflanzenarten, als in Österreich natürlich vorkommen: fast 12.000 sind es. Einer der Schwerpunkte liegt trotzdem auf der Vegetation, die sich in der näheren Umgebung ausbreitet. Oder ausgebreitet hat. Da hilft die Institution, die "Forschungs- und Publikumsgarten zugleich" ist, wie Kiehn sagt, auch dabei, bedrohte Pflanzenpopulationen vor dem Aussterben zu bewahren. Wie etwa den "Österreichischen Drachenkopf", der nur noch bei Hainburg und bei Mödling wuchs. Abgesehen vom Botanischen Garten eben. "Es gehört auch zu unseren Aufgaben, mit den Naturschutzbehörden zusammenzuarbeiten, kleine Pflanzenpopulationen entstehen zu lassen, einzulagern oder für Wiederansiedlungen zur Verfügung zu stellen", sagt Kiehn.
Tipp
Botanischer Garten der Universität Wien. Die Wiener Raritätenbörse findet vom 13. bis 15. April statt, jeweils von 9.30 bis 18 Uhr.