Trump gewährt Europa nur eine Galgenfrist

US-Präsident Donald Trump wirft China Diebstahl geistigen Eigentums vor. Er belegt die Volksrepublik nicht nur mit Strafzöllen, sondern klagt sie auch vor der Welthandelsorganisation WTO.
US-Präsident Donald Trump wirft China Diebstahl geistigen Eigentums vor. Er belegt die Volksrepublik nicht nur mit Strafzöllen, sondern klagt sie auch vor der Welthandelsorganisation WTO.(c) REUTERS (JONATHAN ERNST)
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Während US-Präsident Trump gegen China tatsächlich einen Handelsstreit vom Zaun bricht, bleiben die EU-Länder von Strafzöllen verschont. Aber nur bis 1. Mai. Bis dahin erwartet sich Washington weitere Zugeständnisse.

Wien. Die Ankündigung von Donald Trump, China mit weiteren Strafzöllen zu belegen, Europa aber im Gegenzug zu verschonen, sorgte nicht nur für einen verbalen Schlagabtausch zwischen den beiden größten Volkswirtschaften der Welt. Sondern auch die Börsen reagierten auf den nun drohenden Handelskrieg sehr nervös. Der Leitindex Dow Jones an der New Yorker Börse verlor noch am Donnerstag fast drei Prozent. Am Freitag stürzte der japanische Nikkei sogar um 4,5 Prozent ab – auch in Europa lagen die Börsen wieder im Minus. Aber wie geht es weiter? „Die Presse“ sucht Antworten auf die dringlichsten Fragen im Handelskrieg.

1 Bleiben die EU und Österreich nun endgültig von den Strafzöllen der USA verschont?

Die USA haben Europa lediglich eine Galgenfrist gewährt. Seit gestern, Freitag, heben die Amerikaner einen Zoll von 25 Prozent auf Stahl und zehn Prozent auf Aluminium ein. 60 Prozent aller Stahlimporte wurden jedoch vorerst ausgenommen. Auch die EU-Länder profitieren von dieser Übergangsregelung. Ebenfalls vorerst nicht betroffen sind Kanada, Brasilien, Südkorea und Mexiko. Allerdings gilt diese Übergangsregelung nur bis 1. Mai. Bis dahin müsse über weitere „zufriedenstellende Maßnahmen“ verhandelt werden, teilte Washington mit. Mit anderen Worten: Die USA wollen für ihr Wohlwollen eine Gegenleistung.

Für die Wirtschaftsexperten des Münchner IFO-Instituts klingt dies nach einer gefährlichen Drohung. Die EU solle sich nicht in einen Handelskrieg der USA gegen andere Länder hineinziehen lassen. „Mehr als 85 Prozent des Außenhandels der EU finden nicht mit den USA statt“, betont IFO-Experte Gabriel Felbermayr. So nahm etwa Deutschland im vorigen Jahr mit Exporten nach China um 20 Milliarden Euro mehr ein als mit Exporten in die USA. Auch österreichische Unternehmen sind stärker in China engagiert. Demnach gingen 2016 5,9 Prozent aller österreichischen Ausfuhren nach China und 3,7 Prozent in die USA. Europa sollte sich nicht vor den Trump'schen Karren spannen lassen, warnt das liberale IFO-Institut. „Statt eines Handelskrieges mit den USA droht Europa nun ein Handelskonflikt mit China“, sagt Felbermayr und rät, sich schützend vor die Welthandelsorganisation WTO zu stellen. „Kleine und ärmere Länder bleiben allein zurück und haben kaum Aussicht auf Erfolg, die rechtswidrigen Zölle der USA zu bekämpfen.“ Eines dieser Opfer ist etwa das Nicht-EU-Mitglied Norwegen.

2 Was bezwecken die USA mit ihrem scharfen Angriff auf China?

Die Amerikaner schießen aus allen Rohren auf China. Am Donnerstag hat Präsident Donald Trump ein Dekret unterzeichnet, das Strafzölle im Volumen von 60 Milliarden Dollar vorsieht. Allein mit diesem Schritt werde sich das Handelsdefizit mit China um 100 Milliarden Dollar reduzieren, sagte Trump. Trumps Handelsberater Peter Navarro erklärte, dass die USA seit 2003 mit China erfolglos in Verhandlungen standen. „Seither haben sie im Prinzip unsere Technologie völlig ausgeraubt“, sagte er. Welche Produkte in welcher Höhe mit Zöllen belegt werden, steht vorerst nicht fest. Der US-Handelsbeauftragte Robert Lighthizer hat nun 60 Tage Zeit, um Trump einen konkreten Plan vorzulegen. Fix ist, dass chinesische Unternehmen seit gestern, Freitag, für Stahl- und Aluminiumimporte in die USA Strafzölle bezahlen müssen. Im Vergleich mit den nun bevorstehenden Strafzöllen ist dieser erste Schritt im Handelskrieg zwischen den USA und China lapidar. Nur zwei Prozent der US-Stahlimporte kommen aus China.

Am Freitag kündigte Washington eine Klage gegen China vor der WTO an. Die Amerikaner werfen China den Diebstahl geistigen Eigentums vor. China verstoße gegen WTO-Regeln, indem ausländischen Unternehmen die Nutzung ihrer Patentrechte verweigert wird. Hingegen halte sich China nicht an Lizenzvereinbarungen mit ausländischen Unternehmen. Selbst nach Auslaufen einer Lizenz würden chinesische Firmen die Technologien illegalerweise weiternutzen.

3 Welche Gegenmaßnahmen sind aus China zu erwarten?

China reagierte auf die jüngste Entwicklung verhältnismäßig besonnen. Die chinesische Botschaft in Washington teilte allerdings mit: „Würde ein Handelskrieg von den USA initiiert, dann wird China bis zum Ende kämpfen, um seine eigenen legitimen Interessen mit allen notwendigen Maßnahmen zu verteidigen.“ Konkret hat China nun 128 US-amerikanische Produkte verifiziert, die mit Zöllen belegt werden könnten. Darunter könnten sich etwa Schweinefleisch, Wein und Sojabohnen befinden. Alles in allem trifft es US-Exporte in Höhe von drei Milliarden Dollar.

Tatsächlich hat Chinas Premierminister Li Keqiang bereits Anfang der Woche Zugeständnisse beim Technologietransfer angekündigt. Ziel sei es, dass chinesische und ausländische Unternehmen künftig auf einer fairen Basis miteinander konkurrieren können, sagt er.

Der Chef der amerikanischen Handelskammer in China, William Zarit, hat derartige Versprechen schon oft gehört. Er habe das Gefühl, dass mit China „ohne Druck nur wenig Fortschritt erzielt werden kann“, sagte er einem Nachrichtendienst. Sollte Trump den Handelskrieg gewinnen und China einlenken, dann würde auch Europa davon profitieren, attestiert er. Verliert Trump, verlieren letztlich alle, meint Zarit.

4 Warum spielen jetzt plötzlich die Finanzmärkte verrückt?

An den Börsen kam Donalds Trumps Vorgehen gegen China gar nicht gut an. Der Dow Jones, der Leitindex der New Yorker Börse, sank um 2,9 Prozent, der japanische Nikkei gar um 4,5 Prozent. Am Freitag lagen auch Europas Börsen durchgehend im Minus: Der DAX in Frankfurt verlor knapp 1,5 Prozent, der Wiener ATX etwas mehr als ein Prozent. An den Börsen geht nicht nur die Furcht vor Strafzöllen für Unternehmen um. Sondern es besteht vor allem die Gefahr, dass der Handelskrieg in einen Finanzkrieg mündet. China hält mehr als eine Billion Dollar an US-Staatsanleihen und ist somit der mit Abstand größte ausländische Gläubiger des amerikanischen Staates.

Generell müssen sich Anleger in den USA auf steigende Zinsen einstellen, das wiederum führt zu stärkeren Kursschwankungen auf den Aktienmärkten. (gh/ag.)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.03.2018)

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