„Ich bete für Harvey Weinstein“

Rosanna Arquette arrives on the red carpet at the New York Premiere of Sisters at the Ziegfeld Theat
Rosanna Arquette arrives on the red carpet at the New York Premiere of Sisters at the Ziegfeld Theat(c) imago/UPI Photo (imago stock&people)
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Rosanna Arquette zählt zu jenen Schauspielerinnen, die Harvey Weinstein im Bademantel abgewiesen haben. Im Gespräch schildert sie die Folgen für ihre Karriere, erklärt, wie sie ihr eigenes, schnatterndes Gehirn beruhigt – und was das Geheimnis einer langen Ehe ist.

Man bekam Sie in den letzten Jahren nicht sehr häufig zu sehen. Warum?

Rosanna Arquette:
Das ist das klassische Dilemma: Es ist nun einmal schwer, in meinem Alter gute Rollen zu finden. Früher wollte ich auch nicht so viel arbeiten, weil ich meine Tochter nicht allein lassen wollte. Wobei ich natürlich wieder etwas zu tun bekomme. Vor allem kriege ich Angebote für kleine Filme. Und deshalb bin ich umso dankbarer, dass ein Produzent wie Arthur Cohn mich für „Das etruskische Lächeln“ haben wollte. Es dauerte lang, diesen Film zu realisieren, aber für ihn war ich immer erste Wahl für die Rolle.

Es hat in Ihrem Leben auch Produzenten gegeben, die Ihre Karriere maßgeblich blockiert haben . . .

Natürlich. Dieses Monster Harvey Weinstein. Ich hoffe, er wird verurteilt.

Sie gehörten ja zu den ersten Frauen, die seine Übergriffe publik machten.

Nicht zu vergessen Rose McGowan und Asia Argento. Es gibt natürlich Leute, die uns Frauen auseinanderbringen wollen. Man warnte mich, ich solle Rose nicht unterstützen, weil sie verrückt sei. Aber ich werde ihr immer den Rücken stärken. Sie ist eine Powerfrau und begabte Autorin, die sich mit dem System anlegt. Da ist es logisch, dass sie attackiert wird.

Und Weinstein hat Ihnen in Ihrer Laufbahn Steine in den Weg gelegt?

Das Ganze lief so: Ich sollte für ihn einen Film mit Gary Oldman machen und deshalb mit ihm im Beverly Hills Hotel essen. Als ich ankam, wurde ich in Harveys Suite gebeten, was mich misstrauisch machte. Dann kam er in seinem weißen Bademantel auf mich zu und meinte, ob ich etwas gegen seinen steifen Nacken tun könnte. Ich wich zurück, wollte ihm eine Masseuse bestellen, da packte er mich, nahm meine Hand und wollte sie auf seinen erigierten Penis legen. Er meinte: „Schau, was ich für die und die Schauspielerin gemacht habe.“ Aber ich entgegnete: „Ich werde nie so ein Mädchen sein“ und machte mich aus dem Staub. Am nächsten Tag war meine Karriere eine andere. Ich drehte keinen Film mit Gary Oldman. Bei anderen Filmen, für die ich vorgesehen war, wurde ich plötzlich ersetzt, oder die Finanzierung brach auf einmal zusammen. Ich verstand nicht, was los war.

Spüren Sie ihm gegenüber Verbitterung?

Nein. Groll ist furchtbar. Ich lebe nicht mit solchen Gefühlen. Ich bete für Harvey, dass er Hilfe bekommt. Der Mann ist krank und lebt im Gefängnis seiner eigenen Person. Aber er ist nicht imstande zuzugeben, was er getan hat. Was mich schmerzt, ist das Schicksal der Frauen, denen er das angetan hat.

Sie sagten einmal, dass Sie für diese ganze Branche zu zerbrechlich seien.

Das muss vor langer Zeit gewesen sein. Ich stehe längst fest auf dem Boden der Tatsachen. Aber als ich mit knapp 20 Jahren ins Business einstieg, da war ich ein bisschen spinnert. Diese leichte Verrücktheit habe ich in meinen Rollen ausgelebt.

Was meinen Sie mit verrückt?

Ich war ständig am Schnattern. Mein Gehirn schaltet sich nicht ab, sondern plappert immer vor sich hin, blablablabla – selbst in der Nacht. Aber dann habe ich Meditation für mich entdeckt. Ich begann mit Transzendentaler Meditation, danach traf ich verschiedene Swamis und Gurus. Das Meditieren beruhigt meinen Geist enorm und gibt mir Stabilität. Die Herausforderung ist nur, die erste Einheit gleich nach dem Aufstehen zu machen. Ich darf vorher nicht das Telefon einschalten und die Nachrichten anschauen. Mein Tag gerät dann außer Kontrolle, weil so viel Negativität da draußen in der Welt ist. Heute habe ich leider wieder den Fehler gemacht und gelesen, was Trump als Neuestes angestellt hat.

Ihr aktueller Film heißt ja „Das etruskische Lächeln“. Was stimmt Sie denn heiter?

Liebe. Sie hat eine heilende Kraft. Aber es bedeutet eben Arbeit, ihre Energie am Fließen zu halten, weil die Welt so voller Sorgen und Ablenkungen steckt, die diese Kraft verwässern.

Sie haben diese Kraft offenbar wieder entdeckt. Vor fünf Jahren haben Sie wieder geheiratet. Was hält diese Ehe am Laufen?

Der Schlüssel zu einer langen Ehe ist, sich nicht scheiden zu lassen. Du erlebst Höhen und Tiefen und Momente, die unfassbar sind, im Guten und im Schlechten. Aber du bleibst bei der Stange. In meinen jungen Jahren habe ich nicht begriffen, wie wichtig das ist.

Steckbrief

1959 wurde Rosanna Arquette in New York in eine Showbiz-Familie geboren. Geschwister sind u.a. die Schauspieler David und Patricia.

1985 wurde sie neben Madonna in „Susan... verzweifelt gesucht“ berühmt. Sie spielte u.a. in „Pulp Fiction“. Toto verwendeten für ihren Hit „Rosanna“ ihren Namen, sie war damals mit einem der Musiker liiert.

Ab 13. April ist sie in der Sampedro-Verfilmung „Das etruskische Lächeln“ zu sehen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.04.2018)

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