Giftsuche in Douma: Was können die Chemieexperten überhaupt ausrichten?

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Die Organisation für ein Verbot der Chemiewaffen steht nach dem mutmaßlichen Giftgasangriff in den Startlöchern, um ihre Untersuchungen in der syrischen Stadt zu beginnen. Die Experten stehen unter enormem Zeitdruck.

Nach der mutmaßlichen Giftgasattacke in Syrien läuft die internationale Krisendiplomatie auf Hochtouren. Am Mittwoch sollten die Ermittlungen der Organisation für ein Verbot der Chemiewaffen (OPCW) in Douma beginnen. Sie sollen Aufschlüsse bringen, ob in Douma am 7. April chemische Substanzen gegen Zivilisten eingesetzt wurden. Nach Berichten über Schießereien am Untersuchungsort wurde die Untersuchung einmal mehr verschoben. Doch die Experten stehen unter einem enormen Zeitdruck, um Spuren zu sichern. Was können sie noch ausrichten?

Was ist mehr als zehn Tage nach dem Anschlag überhaupt noch zu finden?

Das hängt natürlich davon ab, ob die Ermittler der OPCW auch Zugang zu der Stelle bekommen, an der die Bombe explodiert sein soll, und ob sie auch Zeugen und Opfer befragen dürfen. Spuren könnten sie noch finden, sagt der Experte der OPCW, der deutsche Chemiker Ralf Trapp. "Zum Beispiel kann man noch Waffenreste finden mit Spuren des chemischen Kampfstoffes." Sie könnten Bombensplitter finden oder Kanister. Die Ermittler können auch Opfer medizinisch untersuchen nach Symptomen, die auf bestimmte Giftstoffe hindeuten. Etwa Schaum vor dem Mund, Erstickungen, Zuckungen des ganzen Körpers.

Was werden sie zunächst tun?

Sie werden versuchen, so viel Proben wie möglich zu entnehmen. Von Boden, Wasser, Gebäuden. Dort kann eine hohe Konzentration von Chlor etwa auf Chlorgas deuten. Sie werden sicherlich Blut- und Gewebeproben von Opfern entnehmen. Bei Autopsien werden sie auch auf organische Veränderungen achten, etwa in den Lungen, die auf bestimmte Kampfstoffe hinweisen. Schließlich haben die OPCW-Experten auch das Recht, Augenzeugen, medizinisches Personal und Opfer zu befragen. Hat jemand den Hubschrauber gesehen oder sogar gefilmt, der die Bombe abgeworfen haben soll? Was haben die Zeugen gerochen oder gehört?

Können Spuren auch beseitigt worden sein?

Das glaubt Trapp nicht. "Es ist nicht so einfach, Spuren zu beseitigen und Gebäude zu entgiften." Außerdem sind da auch noch die Zeugen und Ärzte, die den Ermittlern wertvolle Hinweise geben könnten.

Als möglicher Kampfstoff wird Chlorgas genannt. Ist das überhaupt noch nachzuweisen?

Chlorgas ist wichtig für die Trinkwassersäuberung und nicht verboten, wohl aber der Einsatz als Waffe. Das Gas selbst verflüchtigt sich schnell, hinterlässt aber in Umwelt und auch Organen Spuren. "Wenn es Chlorgas war, dann findet man auch eine chemische Signatur", sagt Trapp.

Könnte es auch ein anderer Stoff gewesen sein?

Chlorgas aber auch das Nervengift Sarin waren bereits mehrfach im Syrien-Krieg eingesetzt worden. Und auch jetzt will der Chemiker Trapp nicht ausschließen, dass Sarin benutzt wurde. Darauf deuteten die Fotos von den Todesopfern hin, sagt er. Und Sarin ist "noch nach Wochen nachweisbar", ergänzt er. Zum Beispiel in Bodenproben aber auch im Blut der Opfer. In diesem Zusammenhang sind auch die Beobachtungen der Ärzte über die Symptome der Opfer wichtig.

Untersuchen die OPCW-Experten auch, wer verantwortlich war?

Die OPCW will als internationale Organisation nicht Partei ergreifen in dem Konflikt. Daher soll das Team nur feststellen, ob es überhaupt ein Angriff mit C-Waffen war und wenn ja, was für ein Stoff benutzt wurde. Aber die Untersuchungen könnten sehr wohl auch zum Täter führen.

"Wenn sie etwa Reste einer Fassbombe finden, die nur von Hubschraubern abgeworfen werden konnte, dann weist das schon in eine bestimmte Richtung", sagt Trapp. Denn die syrische Armee verfügt über Hubschrauber. Theoretisch kommen aber auch die Rebellen als Täter in Frage. Nur bei großen Mengen von Chemikalien ist das unwahrscheinlich. Dazu bräuchte man Experten mit Erfahrung.

Wann ist mit Ergebnissen der OPCW-Untersuchung zu rechnen?

Vor Ort braucht das Team sicher ein paar Tage, schätzt Trapp. Dann müssen sie die entnommenen und gesicherten Proben von Gewebe oder Umwelt in externen Labors untersuchen lassen. Das heißt, zunächst werden diese im niederländischen OPCW-Labor in Portionen geteilt und weiter geschickt an andere Laboratorien, mit denen die Organisation eng zusammenarbeitet. Die Analysen können zwei Wochen dauern. Bis ein Endergebnis vorliegt, werden vermutlich drei bis vier Wochen vergehen.

(APA/dpa)

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