Leitl wünscht sich zum Abschied eine "effiziente Demokratie"

Wirtschaftskammerpräsident Christoph Leitl übergibt sein Amt am 18. Mai an Harald Mahrer. Wichtigster Punkt seiner persönlichen Bilanz ist der Soziale Friede, für den er sich immer eingesetzt habe.

Der scheidende Wirtschaftskammerpräsident Christoph Leitl ist nach eigenen Angaben "ungeheuer beeindruckt" von der "ganz klaren Strategie Chinas". China habe klare Zielsetzungen, klare Maßnahmen und wolle an die Spitze. China wolle beweisen, dass sein System in der heutigen schnelllebigen Zeit besser ist als "unsere Demokratie". Dem müsse Europa eine "effiziente Demokratie" entgegensetzen.

Europa sei "drauf und dran, uns auseinanderzudividieren, statt zusammenzuhalten". China hingegen halte nach innen zusammen, allerdings "mit einem System, das nicht das unsere ist, das sage ich gleich dazu". Europa müsse verhindern, dass die Bürokratie die Demokratie erstickt und zugleich die Bürger einbinden und für die Einhaltung der Menschenrechte sorgen, das sei langfristig für alle vorteilhafter. Europa könne das, aber "wenn wir diese Alarmglocken, die derzeit läuten, nicht hören, dann könnten es für Europa Zusperrglöckerln werden".

Am 18. Mai übergibt Christoph Leitl den Chefsessel in der WKÖ an Harald Mahrer. "Der Zeitpunkt ist richtig", so Leitl,  weil es auch bei anderen Sozialpartnern gerade einen Generationswechsel gebe und auch die Regierung neu sei. Ein guter Zeitpunkt auch für "Die Presse", um auf die besten Sprüche von Leitl zurückzublicken. APA/GEORG HOCHMUTH

"Ein guter Wirt erspart drei Psychiater" Wie es sich für einen Wirtschaftskammerpräsidenten gehört, grämte sich Christoph Leitl des öfteren über geplante Rauchverbote in Lokalen - und brachte damit die Österreichischen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie auf die Palme. (c) APA

"Wenn es so weitergeht, ist im Wirtshaus bald nur noch erlaubt, dass man das Häusl benutzt." Leitl machte sich ein weiteres Mal Luft über den Ärger zu Automaten- und Rauchverbote in der Gastronomie. APA/ROBERT JAEGER

 "Österreich ist abgesandelt." Dieser Sager aus dem Jahr 2013 ist wohl der bekannteste des Wirtschaftskammer-Präsidenten. Leitl sagte diesen Satz in Bezug auf das verschlechterte Ranking des  Schweizer Wirtschaftsinstituts IMD. Er löste damit eine heiße Debatte aus. Die SPÖ bezeichnete ihn prompt als „Netzbeschmutzer“ des österreichischen Wirtschaftsstandorts. (c) APA

Kurz vor dem Start der Herbstlohnrunde 2016 hat der Wirtschaftskammer-Präsident flexiblere Arbeitszeiten gefordert. Untermauert hat er diesen Wunsch mit folgender Logik: "Die Zeiten ändern sich, daher müssen sich auch die Arbeitszeiten ändern". (c) Clemens Fabry

"Wenn ein kleiner Unternehmer Mist baut, steht er vor dem Konkursrichter. Wenn ein Manager Mist baut, steht er am Golfplatz." Der 69-Jährige räsonierte über die Auswüchse auf den Finanzmärkten in einem "Presse"-Interview im Jahr 2013. APA/HELMUT FOHRINGER

"Alles kann hinterfragt werden, sogar der Papst". So reagierte WKÖ-Präsident Leitl auf die politische Diskussion um die Pflichtmitgliedschaft in den Kammern. (c) APA

"Nicht alles was wir machen, machen wir deppert. Wir machen sehr viel vernünftig". Christoph Leitl lobte ein Gemeinschaftswerk der Sozialpartner im Rahmen des Europäischen Forum Alpbach. APA/BARBARA GINDL

"Ein bisserl Schneid müssen wir schon haben." Der WKÖ-Chef gab der Regierung den Rat, die Körperschaftssteuer von 25 auf 20 Prozent zu senken, um der steigenden Arbeitslosigkeit Herr zu werden. (c) Clemens Fabry

"Make Austria great again!" Wenn Donald Trump das im US-Wahlkampf forderte, dann müsse das auch für Österreich ein Ziel sein, sagte Leitl um sich später zu korrigieren. Er meine damit selbstverständlich auch Europa, nicht nur Österreich. APA/BARBARA GINDL

"Mozart ist ein guter Schuhlöffel." So begrüßte Leitl das Besucherprogramm ALPS (Austrian Leadership Programs), mit welchem das Außenministerium um Führungskräfte aus dem Ausland ins Land holen will. (c) Bruckberger

"Vielleicht nicht immer vor der Haustüre und nicht immer in seinem Traumberuf. (...) Die Arbeit wäre da." So reagierte Christoph Leitl im Juni 2015 auf die Frage, ob jeder, der arbeiten will, eine Arbeit findet. Die Presse

"Die Bürokratie ist ein Monster geworden." Das bürokratische Monster lähme nicht nur die Wirtschaft, sondern auch das Gesundheits- und das Schulwesen, so Leitl angesichts 110.000 nationaler und EU-Vorschriften. European Commission / Etienne An

"Wer miteinander Handel treibt, schlägt sich nicht den Schädel ein". So zerpflückte der Wirtschaftskammer-Chef 2014 die Russland-Sanktionen. WKÖ

"Wenn’s der Wirtschaft gut geht, geht’s uns allen gut". Ein Spruch, der zur Trademark des Wirtschaftskammerpräsidenten geworden ist. Multifunktionär Leitl ließ ihn einst neben seinem Konterfei plakatieren.

Das motiviere ihn, von der österreichischen Ebene auf die EU-Ebene zu wechseln. Leitl übergibt am 18. Mai die Position als Wirtschaftskammerpräsident an Harald Mahrer, seit Jahresanfang ist Leitl Chef der europäischen Kammerorganisation Eurochambres, wo er sich die nächsten Jahre verstärkt engagieren will. "Ein Unternehmer geht niemals in Pension" nahm er alle Fragen nach einem Ruhestand vorweg. Zu tagesaktuellen Fragen und einzelnen Maßnahmen wolle er sich künftig jedoch nicht mehr äußern. "Ich habe mich immer als mentaler Wegbegleiter dieses Landes und seiner Menschen gefühlt."

Dafür hat Leitl starke Positionen auf EU-Ebene. Bei dem Wahlen zum EU-Parlament Ende Mai 2019 "steht es Spitz auf Knopf, ob europafreundliche oder -feindliche Parteien gewinnen". Von Renationalisierungen hält Leitl nichts, "Nationalismus ist für mich eine zutiefst suspekte Sache", die habe in der Vergangenheit "so viele furchtbare Ergebnisse gezeitigt - das ist doch kein Zukunftsmodell". Das könne nur ein solidarisches Europa und kein renationalisiertes sein. Leitl würde auch Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und der deutschen Kanzlerin Angela Merkel empfehlen, künftig gemeinsam in die USA zu fahren und dort Europa zu vertreten, statt nacheinander einzeln mit nationalen Interessen.

Was freut, was schmerzt

Wichtigster Punkt seiner persönlichen Bilanz ist für Leitl der Soziale Friede, für den er sich immer eingesetzt habe. Man habe ihm Harmoniesucht vorgeworfen - das Gegenteil sei der Fall. "Als Alt-68er war ich an Streitlust gewohnt. Aber an Streitlust mit einem Ergebnis. Nicht um jemand anderen herunterzumachen, sondern um gemeinsam bessere Lösungen zu entwickeln." In diesem Sinn sage er auch gerne, er sei stolz auf die tüchtigen Mitarbeiter in den Unternehmen - er hätte sich aber gewünscht, dass die andere Seite auch stolz auf die tüchtigen Unternehmer ist. Die Senkung der Jugendarbeitslosigkeit, Jobbeschaffung für ältere Arbeitslose, der Erhalt von Jobs nach der Finanzkrise von 2008 sind Punkte, die Leitl in seiner Bilanz im Klub der Wirtschaftspublizisten hervorhob. Auch die hohe Zahl an Neugründungen, die nach fünf Jahren noch bestehen, sind für Leitl ein Grund zur Freude.

"Schmerzhaft" ist für Leitl die "Erbschaftssteuer durch die Hintertür" auf Wohnungen und auch, dass es keine Flexibilisierung der Arbeitszeit gegeben hat. Es sei "ein Blödsinn" zu glauben, man müsse die Menschen vor sich selber schützen, schließlich arbeiteten in vielen Berufen derzeit schon die Menschen zwölf und mehr Stunden.

In Summe sei es aber "ein guter Zeitpunkt für die Übergabe", die Wirtschaftskammer sei "in Hochform", bei allen Sozialpartnern stünden Veränderungen an und die Regierung stelle die Weichen für die Zukunft neu. "Große Freude" habe er mit seinem Nachfolger Harald Mahrer, der drei wichtige Kriterien erfülle: Er stelle einen echten Generationenwechsel dar, habe Zugang zur digitalen Welt und habe politische Erfahrung.

Zum Abschied hat Leitl auch für die anderen Sozialpartner-Chefs noch eine Überraschung: Sie werden von der Wirtschaftskammer ausgezeichnet werden. "Mein Freund Rudi Kaske" werde von Leitl nach dem Auslaufen der Funktionsperiode das Du-Wort angetragen bekommen, so Leitl.

(APA)