Wickie, Slime&Kreisky

Wickie Slime&Kreisky
Wickie Slime&Kreisky(c) ORF
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In der 70er-Nostalgiewelle war der Langzeitkanzler ein Fixpunkt.

„Alle meine Entchen schwimmen am Klosett, lasst der Kreisky runter, sind sie alle weg.“ Wer genau dieser Kreisky war, das wussten die Kinder nicht, die das alte Lied kichernd in eine neue Version pressten. Und doch war der Bundeskanzler Ende der Siebziger im Kindergarten in der Rustenschacher Allee omnipräsent. „Der Kreisky“ war so etwas wie der Max Mustermann so mancher Siebziger-Kindheit – in Witzen, Liedern oder abstrusen Erzählungen wurde sein Name eingesetzt, auch wenn er mit der Geschichte selbst nichts zu tun hatte.


Badehauben mit Gummiblüten. Kreisky ist auch das Label, das man der massiven 70er-Nostalgiewelle von „Wickie, Slime&Paiper“ anheften könnte, die vor zehn Jahren das ganze Land erfasste, schließlich deckte sich seine Regierungszeit mit dem Lebensgefühl einer ganzen Generation. Da erinnerte man sich an Flokatiteppiche, monströse Schnauzbärte und ebenso gigantische Hosenbeine, an Badehauben mit Gummiblüten und gelbstichige Fotos kleiner Kinder vor psychedelischen Tapeten. Und natürlich an die Idole von damals. Heinz Conrads, den die Oma vor dem Fernseher liebevoll „Heinzi“ nannte, gehörte genauso dazu wie Quizmaster Hans Rosenthal und sein „Sie sind der Meinung, das war Spitze“-Sprung, der dann mitten im Bild einfror.

Es war auch eine Nostalgie der Süßigkeiten, die es heute nicht mehr gibt– Manner Schnitten mit Himbeergeschmack oder die klebrigen „Sugus“-Bonbons. Höhepunkt war natürlich der „Paiper“, den Eskimo nach einer groß angelegten Unterschriftenaktion im Jahr 2000 wieder in sein Eissortiment aufnahm. Die Nostalgie hatte über den Markt gesiegt. Zumindest zeitweise, denn schon 2004 wurde das charakteristische Eis wieder vom Markt genommen. Manche Dinge lassen sich eben einfach nicht mehr zurückholen.


Trauriger Herr. So wie auch die Kreisky-Ära. Für die Kinder der „Wickie, Slime&Paiper“-Generation, die damals schon das „Micky Maus“-Alter hinter sich gelassen hatten, war das spätestens im Jahr 1983 klar. Da waren dem „Rennbahn Express“ Aufkleber beigelegt, die eine Karikatur des traurigen alten Herrn als weisen Indianer mit Friedenspfeife zeigten. „Kreisky muss Kanzler bleiben“ war das Motto. Wer dieser Kreisky war, das wusste man mittlerweile. Doch in den Kinderliedern und Witzen kam er zu diesem Zeitpunkt längst nicht mehr vor. Die Bravo-Ära hatte begonnen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.02.2010)

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