Die Erweiterungscurricula zwingen Studenten zu Kursen, die sie gar nicht interessieren. Was interessant wäre, ist hingegen oft nicht erlaubt.
Insgesamt fünf Vorlesungen zur Religionsgeschichte hat Katrin F. schon absolviert. Und das, obwohl sie Religion „überhaupt nicht interessiert“. Das Problem der Germanistik-Studentin: Sie muss bei ihrem Bachelor-Studium Kurse im Wert von 60 ECTS (so der Name des Systems, das die Semesterwochenstunden ersetzt hat und mit dem die Uni den Lernaufwand bemisst) im Rahmen der neuen Erweiterungscurricula (EC) ablegen. Diese sorgen an der Uni Wien bei zahllosen Studenten für Verärgerung: Die EC haben bei der Umstellung auf das Bachelor-Master-System vielfach die freien Wahlfächer ersetzt. Der entscheidende Unterschied: Die EC sind alles andere als frei wählbar. Katrin muss aus einem von der Uni Wien bestimmten, eng begrenzten Angebot wählen – wie eben den Fächerkorb Religionsgeschichte. „Die Studien, die ich belegen darf, sind in Module gegliedert, die man oft in einer bestimmten Reihenfolge absolvieren muss, obwohl manche Vorlesungen gar nicht jedes Semester angeboten werden.“
Paradox: Kurse aus ihrem zweiten Hauptstudium – den Rechtswissenschaften – darf sich die 21-Jährige hingegen nicht auf Germanistik anrechnen lassen. Das ist von der Uni nicht vorgesehen. Ebenfalls nicht auf der Liste der EC stehen die Russisch-Kurse, die Katrin belegt. Und das ohne sachliche Rechtfertigung: „Polnisch oder Slowenisch wären erlaubt.“ Sie habe eine Anfrage an die Studienprogrammleitung gestellt. Auf die Antwort warte sie bis heute. Fazit: Die Kurse, die Katrin im Rahmen der EC noch ablegen muss, wird sie „einfach abarbeiten. Gezwungenermaßen unabhängig von meinen Interessen.“
■Das Problem allgemein
Erweiterungscurricula sind eine Erfindung der Uni Wien, um einen „individualisierten Bildungsverlauf“ zu ermöglichen. Oft ist das Gegenteil der Fall: Wo Studenten früher aus einer Palette an freien Wahlfächern wählten, gibt es nun vorgefertigte Module. Vorgesehen sind EC in vielen Bachelorstudien.
■Das sagt die Studentenvertretung
Die Möglichkeit zur Anrechnung des Jus-Studiums für Germanistik-Wahlfächer gebe es leider tatsächlich nicht, so die ÖH: „Die EC dienen bewusst der Einschränkung der Studenten. Unis erhoffen sich davon eine bessere Planbarkeit des Angebots.“ Das „kreuzweise“ Anrechnen von freien Wahlfächern im Doppelstudium (Studium 1 als freie Wahlfächer für Studium 2 und umgekehrt) sei vielen Unis zudem ohnehin „ein Dorn im Auge“.
■Das sagt das Wissenschaftsministerium
Die Erweiterungscurricula fallen in die Autonomie der Unis. Die Ministerin möchte im Zuge der Studienplanreform jedoch eine Flexibilisierung erreichen.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.03.2010)