E-Learning: Die Tücken der Multimedia-Studien

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Studenten der Uni Linz können sich „online“ zum Juristen ausbilden lassen. Wer vor Ort studiert, hat Nachteile.

Vor nunmehr acht Jahren wurde es als große Innovation im Studienbetrieb gefeiert: Die Johannes Kepler Uni in Linz errichtete das „Multimedia-Studium“ Jus – und damit den ersten universitären Studiengang in Österreich, den Hochschüler fast gänzlich ohne Anwesenheit am Studienort absolvieren können. Lehrveranstaltungen werden live auf der Homepage ausgestrahlt und stehen dann als „Videostream“ zur Verfügung. Ergänzend dazu gibt es „Medienkoffer“ mit Literatur und CDs. Die Prüfungen können nicht nur in Linz, sondern auch in anderen Städten und sogar in österreichischen Botschaften im Ausland abgelegt werden.

Dennoch: Bei den Präsenzstudenten – also jenen, die an der Linzer Uni ihr Jusstudium klassisch vor Ort absolvieren – sorgt der moderne Multimedia-Lehrgang für Verärgerung. Sie seien durch die „an sich begrüßenswerte Einrichtung“ mit „gravierenden Nachteilen“ konfrontiert, sagt der Linzer Florian B. (Name der Redaktion bekannt) im Gespräch mit der „Presse“. So würden, sagt Florian, Lehrveranstaltungen oft „nur online“ angeboten. „Zu den Videostreams haben wir Präsenzstudenten aber keinen Zugang.“ Bestimmte Kurse würden zudem nur alle zwei Semester „klassisch“ an der Uni abgehalten, für Multimedia-Studenten jedes Semester. „Auch manche Prüfer stehen uns nicht zur Verfügung.“

An der Uni habe er mit seinen Beschwerden auf Granit gebissen: „Ich bin frustriert. Es ist ein Wahnsinn hier in Linz“, sagt Florian, der der Uni eine „nicht rechtfertigbare Ungleichbehandlung“ vorwirft. „Die Videos allen zugänglich zu machen, wäre für die Uni mit keinen zusätzlichen Kosten und keinem zusätzlichen Aufwand verbunden.“ Er vermutet hinter der Regelung reine Geschäftemacherei: „Hier sollen möglichst viele dazu gebracht werden, die teuren Multimedia-Koffer zu kaufen“, sagt er.

■Das Problem allgemein:

An der Linzer Johannes Kepler Uni stehen nur noch 1954 Präsenzstudenten den mittlerweile rund 2892 Multimedia-Studenten gegenüber. Beide Studien werden jedoch im Rahmen des selben Curriculums angeboten, heißt es vonseiten der ÖH. Die Kurse würden jeweils in beiden Ausführungen angeboten und seien somit (zumindest theoretisch) beliebig austauschbar. So dürfen die Multimedia-Studenten am Präsenzstudium teilnehmen. „Normale“ Studenten hingegen benötigen die Medienkoffer (pro Studienabschnitt für rund 700 Euro), um das Zusatzangebot nutzen zu können.

■Das sagt die ÖH:

Vor allem bei Vorlesungen sollte es Studenten freistehen, wie sie sich das Wissen aneignen, kritisiert die Bundes-ÖH. Auch die Anmeldung zu einer Lehrveranstaltung oder Prüfung vom Bezug bestimmter Materialen abhängig zu machen, sei „rechtlich zumindest fragwürdig“. Es solle Bildungsauftrag der Unis sein, Lehrmaterialien wie Texte und Videos zu produzieren und kostenlos (unabhängig von der Inskription) der Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen. „Schließlich wird ihre Produktion von der Allgemeinheit finanziert.“

Sonja Scheidenberger, Vertreterin der Multimedia-Studenten an der Uni (und Betreiberin der Homepagemm-juss.at), schränkt ein: Zumindest jene Multimedia-Vorlesungen, die in Linz live aufgezeichnet würden, könne jeder vor Ort besuchen, so ihr Tipp.

■Das sagt die Uni:

An der Uni weist man den Vorwurf der „Geschäftemacherei“ von sich. „Wir arbeiten nicht gewinnorientiert.“ Dennoch bestehe man auf die Beschränkungen: Schließlich verursache das Multimedia-Angebot Kosten, die auch über die verlangten Studienbehelfe „refinanziert“ werden.


ombudsstelle@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.04.2010)

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