Auch Unternehmen haben Anspruch auf Zinsrückzahlung, entschied das Handelsgericht Wien. Banken meinten bisher, das gelte nur für Privatkunden. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.
Wien. Banken, die negative Referenzzinsen bei Krediten nicht an ihre Kunden weitergegeben haben, müssen die zu viel verrechneten Zinsen zurückzahlen – dazu gibt es schon einige Gerichtsurteile. Unklar war bis jetzt, ob das nur Konsumenten betrifft oder auch Unternehmen. Bisherige OGH-Entscheidungen (z. B. 4Ob60/17b) stützten sich stark, aber nicht ausschließlich auf das Verbraucherrecht: Allgemeine vertragsrechtliche Grundsätze wurden ebenfalls ins Treffen geführt. Und diese gelten für Unternehmen genauso – was dafür spricht, dass auch Firmen einen Rückzahlungsanspruch haben („Die Presse“ berichtete).
„Gröblich benachteiligend“
Bankenvertreter betonen allerdings die rechtlichen Unterschiede zwischen Verbraucher- und Unternehmenskrediten. Nun gibt es jedoch ein erstes – nicht rechtskräftiges – Urteil des Handelsgerichts Wien, das einem Unternehmen recht gibt. Eine Richterin urteilte unter Berufung auf das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch (ABGB), dass Zinsuntergrenzen ohne gleichzeitige Zinsobergrenzen auch bei Krediten von Unternehmen „gröblich benachteiligend“ und somit nichtig sind.
Es ging um einen im Jahr 2012 bei der Volksbank Wien abgeschlossenen Kreditvertrag für ein Immobilienprojekt. Dieser enthielt eine Zinsuntergrenze von 2,75 Prozent, jedoch keinen Höchstzins. Das Gericht beurteilte diese Klausel als „einseitig und ausschließlich zugunsten der Bank“, wofür es „keine sachliche Rechtfertigung“ gebe. Die Volksbank muss nun die zu viel verrechneten Zinsen zurückzahlen und darf in den künftigen Zinsvorschreibungen keine Untergrenze anwenden. Konkret verwies das Handelsgericht Wien auf § 879 Abs. 3 des ABGB. Der Paragraf besagt: „Eine in Allgemeinen Geschäftsbedingungen oder Vertragsformblättern enthaltene Vertragsbestimmung, die nicht eine der beiderseitigen Hauptleistungen festlegt, ist jedenfalls nichtig, wenn sie unter Berücksichtigung aller Umstände des Falles einen Teil gröblich benachteiligt.“
Klägervertreter Rechtsanwalt Roman Taudes von der Kanzlei Aigner + Partner erwartet nun eine Klagsflut: Die Volksbank Wien habe nämlich „in weitaus mehr Unternehmerkreditverträgen als vermutet“ Zinsuntergrenzen eingefügt. Es handle sich somit um keinen Einzelfall – und es sei auch keineswegs auf die Volksbank beschränkt: „Viele in Österreich tätigen Kreditinstitute und Leasinggesellschaften haben sich vergleichbarer unzulässiger Klauseln bedient.“ Das Urteil sei nicht nur für über 3800 Bauträger in Österreich relevant, sondern für alle Unternehmer mit Kreditverträgen.
Die Volksbank Wien wollte dazu keine Stellungnahme abgeben.
Gleiche Chancen und Risken
Auch in bisherigen Entscheidungen wurde schon klargestellt, dass Zinsgleitklauseln symmetrisch gestaltet sein müssen. Gibt es eine Untergrenze für die Zinsen, muss auch eine angemessene Obergrenze eingezogen werden, sodass Chancen und Risken gleichmäßig verteilt sind. Bei Unternehmenskrediten haben die Banken jedoch bislang argumentiert, dass es hier mehr Gestaltungsfreiheit gebe als bei Verträgen mit Privatkunden.
Diese Fallkonstellation ist nur eine von mehreren: So gibt es auch Fälle, in denen keine Untergrenze im Vertrag stand, die Bank aber später einseitig erklärte, der vereinbarte Aufschlag auf den Referenzzins (z. B. Libor oder Euribor plus zwei Prozent) gelte als Mindestzins. Auch das ist laut Judikatur unzulässig. Die Kreditzinsen können demnach vorübergehend auf Null sinken – allerdings ohne ausdrückliche Vereinbarung nicht darunter. (APA/cka)
("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.06.2018)