Teamchef Joachim Löw erhielt viel Zuspruch, seine Arbeit fortzusetzen. Allerdings ist auch die Zukunft einiger Stützen fraglich.
Auch am Tag zwei nach dem historischen Scheitern in der Gruppenphase herrscht beim entthronten Weltmeister Deutschland Rätselraten um die personelle Entwicklung bei der Nationalmannschaft. Offen ist neben der Zukunft von Teamchef Joachim Löw auch, ob und welche Spieler ihre Teamkarriere beenden werden. Mit Mesut Özil und Sami Khedira gelten zwei Leistungsträger als Wackelkandidaten.
Über mangelnde Ratschläge kann sich der Deutsche Fußball-Bund (DFB) dieser Tage wahrlich nicht beschweren. So sprachen sich etwa der ehemalige Teamchef Berti Vogts und auch Neo-Bayern-Coach Niko Kovac für einen Verbleib von Löw, der noch bis 2022 unter Vertrag steht, aus "Für mich ist Joachim Löw der Richtige, um den Umbruch zu gestalten, der nun ganz natürlich kommt", schrieb Kovac in einer Kolumne der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" am Freitag. Vogts äußerte sich in der "Rheinischen Post" ähnlich, empfahl dem DFB allerdings den "Austausch mit anderen Experten" wie etwa Jürgen Klopp, um das Debakel aufzuarbeiten.
Fragezeichen hinter Khedira und Özil
Auch Sami Khedira betonte in einem Interview mit der "Bild"-Zeitung, dass er Löw für den richtigen Trainer halte. "Definitiv kann und sollte er das! Ob er es will, ist seine Entscheidung." Die Spieler würden "diese Blamage zu 100 Prozent auf unsere Kappe nehmen" und hätten "den Ehrgeiz, das wieder gut zumachen. Ob das auch seine Person miteinschließt, konnte der 31-jährige Legionär von Juventus Turin noch nicht sagen. Er wolle eine solche Entscheidung "nicht aus der Emotion heraus treffen", sagte Khedira.
Ein Verbleib in der Nationalmannschaft erscheint auch bei Mesut Özil zweifelhaft. Der 29-jährige Arsenal-Spieler stand in Medien und den sozialen Netzwerken unter besonders heftiger Kritik, nicht selten auch mit rassistischen Untertönen. Vor der Weltmeisterschaft hatten sich Özil und Teamkollege Ilkay Gündogan mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan fotografieren lassen, was für heftige Kontroversen sorgte. Özil äußerte sich seit dieser Affäre nicht mehr öffentlich.
Geschichte spricht eher gegen Löw
Traditionell folgt der DFB nach Enttäuschungen den branchenüblichen Mechanismen und wechselt den Trainer aus. Seit 1978 überstand nur Vogts das überraschende Scheitern im WM-Viertelfinale 1994 gegen Bulgarien. Er musste erst 1998 seinen Platz räumen, nachdem erneut in der Runde der letzten acht gegen Kroatien Endstation gewesen war.
Für Löw spricht freilich seine bis dato herausragende Bilanz. Seit der Europameisterschaft in Österreich und der Schweiz 2008, seinem ersten Großereignis als Teamchef, erreichte die deutsche Nationalmannschaft bei fünf aufeinanderfolgenden Endrunden jeweils zumindest das Halbfinale. Neben dem WM-Titel 2014 eroberte Deutschland mit einer stark verjüngten Auswahl vor einem Jahr zudem den Confederations Cup. Nicht zuletzt dieser Triumph lässt eine weitere Zusammenarbeit denkbar erscheinen, auch wenn das Verhältnis mit Teammanager Oliver Bierhoff dem Vernehmen nach schon bessere Tage gesehen hat.
"Es gibt ja nicht nur einen Grund oder die einzige Sache, die zum Scheitern beigetragen hat. Es gibt mehrere Gründe", erklärte Löw, bevor er sich für unbestimmte Zeit zur Entscheidungsfindung in seine private Welt zurückzog. Der 58-Jährige will und muss herausfinden, welchen Anteil er sich persönlich vier Jahre nach dem WM-Triumph in Brasilien am Versagen, an der größten sportlichen Krise seit 14 Jahren, anlastet. "Das ist meine Verantwortung, das zu tun", unterstrich Löw.
(APA/dpa)