Kindergarten: Regierung will Ländern 30 Millionen Euro weniger geben

MINISTERRAT: BOGNER-STRAUSS
MINISTERRAT: BOGNER-STRAUSSAPA/ROLAND SCHLAGER
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Zusätzlich soll das Kopftuchverbot Bedingung für das Geld werden, kündigt Familienministerin Bogner-Strauß (ÖVP) an. Sie sieht nicht ein, warum es gleich viel Geld wie bisher für den Kindergartenausbau geben soll.

Die Regierung wird die Mittel für die Kinderbetreuung zurückfahren. Familienministerin Juliane Bogner-Strauß (ÖVP) kündigte im Ö1-"Morgenjournal" an, den Ländern künftig nur noch 110 Millionen Euro pro Jahr zur Verfügung stellen zu wollen. Das sind 30 Millionen weniger als derzeit. Widerstände von Ländern und Gemeinden sind damit vorprogrammiert.

Begründet werden die geringeren Mittel von Bogner-Strauß damit, dass die Einrichtungen für Kinder über drei schon sehr gut ausgebaut sind. Daher brauche es nicht mehr so viele Mittel wie vor zehn Jahren. Überdies wird vom Ministerium darauf hingewiesen, dass im Finanzministerium noch 40 bis 50 Millionen aus einem Strukturfonds für benachteiligte Gemeinden abzuholen wären.

Ministerin will längere Öffnungszeiten

Grundsätzlich ist seitens des Familienministeriums bei den am Freitag auf Beamtenebene startenden Verhandlungen geplant, die drei derzeit existierenden 15a-Vereinbarungen zwischen Bund und Ländern zusammenzuführen. Derzeit gibt es Pakte zum Thema Gratis-Kindergartenjahr, sprachliche Frühförderung und Kindergartenausbau.

Ursprünglich war für letzteren Bereich quasi eine Symbolsumme budgetiert gewesen. Nunmehr wurden die bereits zugesicherten 90 Millionen gesamt noch einmal um 20 Millionen aufgestockt, was Bogner-Strauß als Erfolg für sich reklamiert. Wichtig ist der Ministerin dabei vor allem der Ausbau der Öffnungszeiten.

Kopftuchverbot wird zur Bedingung für Vereinbarung

In die neue 15a-Vereinbarung hineingepackt werden soll auch noch das von der Regierung - vor allem von Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) - gewünschte Kopftuchverbot in Kindergärten. Wörtlich ist im Verhandlungspapier der Regierung von "Schutz von Kindern, indem Symbole und Kleidungsstücke verboten werden, die unserer Gesellschafts- und Werteordnung widersprechen" die Rede. Als weiteres Ziel wird ausgegeben, die Etablierung von religiös motivierten Rollenbildern zu verhindern. Die Ländervertreter aber signalisierten hier Zurückhaltung: Eine Koppelung des Kopftuchverbots mit einer 15a-Vereinbarung konnten sich zuletzt nur zwei der neun zuständigen Landesrätinnen vorstellen. Das Ministerium stellte aber klar, dass die Zustimmung der Länder zu einem Kopftuchverbot im Kindergarten Bedingung für den Abschluss einer neuen 15a-Vereinbarung ist. 

Laufen soll der neue Bund-Länder-Vertrag bis 2022. Erreicht werden sollen dabei auch gewisse Zielgrößen, etwa dass die Betreuungsquote pro Bundesland und Jahr um zwei Prozentpunkte angehoben wird. Spezieller Fokus gilt dem Ausbau der Plätze für Unter-Dreijährige.

Die Verhandlungen dürften sich jedenfalls schwierig gestalten. So hatte beispielsweise der Gemeindebund wiederholt darauf gepocht, dass die Summe von 140 Millionen keinesfalls reduziert werden dürfe.

Umfängliche Zustimmung nur aus Nieder- und Oberösterreich

Reaktionen gab es auf Bogner-Strauß' Ankündigungen bereits aus einigen Bundesländern. Andrea Klambauer (Neos), zuständige Salzburger Landesrätin, sagte, ihrem Bundesland würden durch die Regierungspläne etwa zwei Millionen Euro für den weiteren Kindergarten-Ausbau fehlen - die Summe werde Salzburg nun selbst stemmen müssen.

Gerade durch die kommende Arbeitszeitflexibilisierung werde auch eine weitere Flexibilisierung des Kinderbetreuungsangebots notwendig, sagte Klambauer. Das Kopftuchverbot sei just "Symbolpolitik ohne sachlichen Hintergrund": In den Salzburger Kindergärten gebe es kaum derartige Fälle.

Ihre Tiroler Kollegin Beate Palfrader (ÖVP) gab sich hingegen ob der Pläne "zufrieden". Für Tirol stünden dadurch 9,5 Millionen Euro zur Verfügung. Die Mittel sollen auch für die Sprachförderung und das verpflichtende Gratiskindergartenjahr für Fünfjährige eingesetzt werden. In Sachen Kopftuchverbot meinte Palfrader, sie gehe davon aus, dass das Treffen am Freitag auch Gelegenheit bieten werde, darüber zu sprechen. Palfrader hatte sich zuletzt äußerst skeptisch dazu geäußert.

Die niederösterreichische Landesrätin Christiane Teschl-Hofmeister (ÖVP) sieht zunächst einmal "eine Verhandlungsbasis geschaffen". In dem Bundesland würden die Kindergarten-Öffnungszeiten "nach dem lokalen Bedarf" geregelt; man arbeite "seit Jahren mit Hochdruck" am Ausbau der Kinderbetreuung. Teschl-Hofmeister gab sich zudem in Sachen Kopftuchverbot gesprächsbereit. In Oberösterreich stimmte Landesrätin Christine Haberlander (ÖVP) ähnliche Töne an; auch sie unterstützt die Koppelung des Kopftuchverbotes an eine 15a-Vereinbarung.

Der zuständige Wiener Stadtrat Jürgen Czernohorszky (SPÖ) sagte, die Entwürfe würden Familien noch weiter unter Druck setzen. Der Ausbau der Plätze, die sprachliche Frühförderung und auch weitere Integrationsmaßnahmen würden von der Bundesregierung "beinhart zurückgefahren", stattdessen werde eine "Show" abgezogen. Landeshauptmann Peter Kaiser (SPÖ), in Kärnten für die Kindergärten zuständig, sagte, allein für Kärnten würden die Pläne eine Reduzierung der Mittel um 2,2 Millionen Euro bedeuten.

Auch die burgenländische Landesrätin Verena Dunst (SPÖ) hält nichts von der Kürzung der Bundesmittel: Diese sei "unlogisch". "Eine Flexibilisierung der Arbeitszeit muss zwingend mit einer Flexibilisierung der Kindergartenöffnungszeiten einhergehen. Tagesöffnungszeiten müssen ausgeweitet werden, Schließzeiten in den Ferien müssen reduziert werden. Demnach müsste der Bund mehr Geld zur Verfügung stellen und nicht weniger", sagte Dunst. Das Kopftuchverbot sie in der Vereinbarung "völlig irrelevant".

Die steirische Landesrätin Ursula Lackner (SPÖ) schlug in dieselbe Kerbe. Den Gemeinden würde das Geld für längere Öffnungszeiten fehlen. Lackner kritisierte ferner, dass die Diskussion um das Kopftuch den Blick auf das Wesentliche verstelle: "Wir brauchen dringend eine Fortsetzung der Ausbauoffensive im Kinderkrippen- und im Kindergartenbereich."

Abwartend gab sich die Vorarlberger Landesrätin Barbara Schöbi-Fink (ÖVP): "Wir müssen genauer wissen, wofür die 110 Millionen Euro eingesetzt werden sollen, was die Kriterien sind." Man werde den Bund aber sicher nicht aus der Verantwortung lassen. Die Zusammenführung der 15a-Vereinbarungen zu einer einzigen bewertet sie positiv. Zum Thema Kopftuchverbot in der Vereinbarung sagte sie: "Auf den ersten Blick hat das nichts miteinander zu tun." Der Kopftuchparagraf müsse gut sachlich begründet werden. "Fakt ist, wir haben das Thema so in Vorarlberg nicht." Es sei "nicht das Erste und auch nicht das Zweite, dass ich hineinformuliert haben wollte".

"Frauen-zurück-an-den-Herd-Politik"

Oppositionspolitikerinnen reagierten mit scharfer Kritik auf die Ankündigung Bogner-Strauß'. "Längere Arbeitszeiten, aber weniger Geld für die Kinderbetreuung – das ist die 'Frauen-zurück-an-den-Herd-Politik', die Schwarz-Blau betreibt", ärgert sich etwa SPÖ-Frauenchefin Gabriele Heinisch-Hosek.

Neos-Obfrau Beate Meinl-Reisinger wiederum nannte es "eiskalte Erpressung", dass die Regierung die Gelder für den Ausbau der Kinderbetreuung für die Länder mit der Umsetzung des Kopftuchverbots verknüpfe. Hier werde Politik auf dem Rücken von Kindern gemacht.

Der Städtebund lehnte in einer Aussendung jegliche Einsparungen bei der Kinderbetreuungen ab: "Jeder Cent, der in der Kinderbetreuung fehlt, bedeutet weniger Berufstätigkeit und weniger Einkommen für Eltern, insbesondere für Frauen", sagte Generalsekretär Thomas Weninger.

Der oberösterreichische Gemeindebund hat die Pläne als "abenteuerlich" kritisiert. Sparen dürfe nicht als Verlagerung von Aufgaben, Kosten und Lasten hin zu Ländern und Gemeinden missinterpretiert werden, hieß es in einer Presseaussendung, "ein fairer Umgang zwischen den Gebietskörperschaften schaut anders aus".

(APA)

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