EuGH: EU-Staaten dürfen Auslieferung von Verdächtigen an Polen stoppen

APA/AFP/WOJTEK RADWANSKI
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EU-Staaten müssen einen Europäischen Haftbefehl aus Polen nicht mehr in jedem Fall vollstrecken - etwa wenn wegen der polnischen Justizreform ein unfaires Gerichtsverfahren droht.

Andere EU-Staaten können die Auslieferung von Verdächtigen an Polen wegen der dortigen Justizreform untersagen. Eine Justizbehörde müsse von der Vollstreckung eines europäischen Haftbefehls absehen, wenn das Recht auf ein faires Verfahren in einem anderen Mitgliedsland gefährdet sei, begründete der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) sein Urteil am Mittwoch.

Im konkreten Fall entschieden die Luxemburger Richter über einen Polen, der wegen Drogenhandels gesucht und in Irland verhaftet wurde. Dieser widersprach seiner Übergabe an Polen und verwies auf die Reformen im polnischen Justizsystem, die auch die EU-Kommission auf den Plan gerufen hatten.

Der EuGH betonte, dass die Ablehnung zur Vollstreckung eines Europäischen Haftbefehls eine Ausnahme und genau begründet sein müsse. Ein Kriterium dafür sei die richterliche Unabhängigkeit und Unparteilichkeit. Dies setze voraus, dass es Regeln für die Zusammensetzung der Gerichte sowie für die Ernennung, die Amtsdauer und die Gründe für die Enthaltung, Ablehnung und Abberufung ihrer Mitglieder gebe.

EU sieht demokratische Grundwerte in Gefahr

Eine besonders relevante Angabe zur Begründung einer Nicht-Auslieferung ist nach Ansicht des EuGH die Information der EU-Kommission an den EU-Rat zur Justizreform in Polen. Die Brüsseler Behörde hatte im Dezember gegen Polen ein Verfahren nach Artikel 7 des EU-Vertrags wegen der möglichen Verletzung der demokratischen Grundwerte eingeleitet. Am Ende des Verfahrens kann im EU-Rat der Entzug der Stimmrechte für Polen stehen. Die nationalkonservative Regierung Polens hatte zuletzt das Rentenalter am Obersten Gericht des Landes abgesenkt, weshalb dort zahlreiche Richter vor der Pensionierung stehen.

(Reuters)

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