Die Streikwelle bei Ryanair macht den Gewerkschaften europaweit Mut, auch bei anderen Großkonzernen wie Amazon Mitarbeiterrechte durchzusetzen.
Dublin/Frankfurt. Was im Vorjahr mit Frust und Ärger über die chaotische Urlaubsplanung bei Ryanair begann, hat sich zu einem massiven Arbeitskampf ausgeweitet, der möglicherweise nicht auf die größte europäische Billigairline beschränkt bleibt. Einen Tag vor der Streikwelle in Deutschland, Irland, den Niederlanden, Belgien und Schweden, die am Freitag zur Streichung von rund 400 Flügen (darunter 20 der Tochter Laudamotion) führen dürfte, erhielten die Piloten des irischen Billigfliegers Ryanair Rückendeckung vom Europäischen Gewerkschaftsbund (EGB).
Für die länderübergreifende Arbeitnehmervertretung sei das ein „gutes Signal“. Der Streik in mehreren Ländern sei „für viele auch ein Zeichen für andere Unternehmen, in denen Arbeitnehmer gegeneinander ausgespielt werden“, sagte EGB-Vizegeneralsekretär Peter Scherrer dem Sender RBB. Unternehmen könnten „gewerkschaftliche Rechte nicht mehr einfach ignorieren“, wenn sich Arbeitnehmer in verschiedenen Ländern zusammenschlössen.
Scherrer nannte auch den Onlinehändler Amazon. Dessen deutsche Angestellte haben wiederholt die Arbeit niedergelegt, um für bessere Arbeitsbedingungen zu kämpfen. Zuletzt gab es am Sonderverkaufstag Prime Day im Juli mit Unterstützung der Gewerkschaft Verdi deutschlandweit Streiks. Seit 2013 schwelt der Konflikt um einen Tarifvertrag für die rund 16.000 Beschäftigten des Handelsriesen in Deutschland, der sich bislang Tarifverhandlungen mit Verdi verweigert hat.
Umdenken erwartet
Sollten die Gewerkschaften bei Ryanair und vielleicht auch bei Amazon Erfolg haben, werde das zu einem Umdenken führen, fügte Scherrer hinzu. Ryanair hat nach monatelangem Schlagabtausch und einem Warnstreik der deutschen Piloten im Dezember erstmals in ihrer Geschichte Gewerkschaften anerkannt. Allerdings kam es bisher zu keinem Verhandlungsergebnis. Dabei macht der Airline ihre Größe zu schaffen: Ryanair agiert mit 13.000 Mitarbeitern von 86 Flugbasen. Dadurch ist sie auch mit verschiedenen Gewerkschaften und Tarifsystemen konfrontiert.
Auch die deutsche Flugbegleiter-Organisation begrüßt den Arbeitskampf. Er sei das „legitime letzte Mittel, den Arbeitgeber zu substanziellen Zugeständnissen zu bewegen“. Die Vereinigung Cockpit schloss weitere Streiks nicht aus. „Der Streik ist unnötig und nicht gerechtfertigt“, konterte Ryanair-Vertriebschef Kenny Jacobs. In den Niederlanden strebte die Airline per Gerichtsbeschluss eine einstweilige Verfügung gegen Streiks an. Die Gewerkschaft reagierte wütend. Das zuständige Gericht in Haarlem wies die Forderung am Donnerstagabend zurück. Die niederländischen Ryanair-Piloten werden wie geplant streiken.
(eid)
("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.08.2018)