Als finale Play-off-Hürde auf dem Weg in die Millionenliga wartet auf Salzburg Roter Stern Belgrad. Für beide Klubs wäre es eine Premiere, für Österreichs Fußball ein Wandel.
Belgrad/Salzburg/Wien. Geht es um die Champions League, hatten es Salzburgs Fans bislang wirklich nicht leicht. Österreichs Serienmeister scheiterte in zehn Anläufen, einmal kläglich an Düdelingen, patschert an Malmö oder unglücklich an Zagreb. Im elften Versuch soll es gelingen, erstmals in der seit 2005 laufenden RB-Ära in die Königsklasse des Fußballs einzuziehen. Gegner ist Serbiens Paradeklub und Meister Roter Stern Belgrad, der diesem Abenteuer ebenfalls schon sehr lang hinterherläuft und selbst in sechs Qualifikationen bereits gescheitert ist.
Für den 28-fachen serbischen Meister, der 1991 kurz vor dem Zerfall Jugoslawiens den Europapokal der Landesmeister gewonnen hat, sind die Fehlversuche auch ein besonders wunder Punkt. Stadtrivale Partizan schaffte den Einzug in die Gruppenphase bereits zwei Mal. In Österreich spielten zuletzt Austria (2013) und Rapid (1997, 2005) im Konzert der Großen mit.
Um bestmöglich vorbereitet zu sein, sagte Roter Stern das letzte Ligaspiel ab. Dass die Partie gegen Salzburg wegen rassistischer Fanchoräle von der Uefa als „Geisterspiel“ sanktioniert wurde, scheint für alle Beteiligten auch kein weiteres Problem darzustellen. Salzburgs Fans hätten jedoch Karten bekommen, aber bis auf knapp 50 VIP-Gäste, die mit der Mannschaft nach Belgrad flogen, trat offenbar keiner die Reise an. Ein geplanter Fanbus, die Fahrt hätte 13 Stunden gedauert, kam nicht zustande.
Eine Bilanz, viele Indizien
Es gibt mehrere Indizien, die darauf schließen lassen, dass Salzburg tatsächlich die besten Chancen auf das erstmalige Erreichen des Konzernziels hat. Die serbisch-österreichische Europacup-Bilanz fällt positiv aus. In bisher neun K.-o.-Duellen seit 1962 schafften ÖFB-Vertreter fünfmal den Aufstieg – und alle dieser Erfolge passierten seit 1996.
Die „Bullen“ konnten das Gros der Spieler halten, einzig Caleta-Car (Marseille) und Berisha (Lazio) wurden abgegeben. Die Erfahrungen aus dem Europa-League-Halbfinale, die Routine könnten eine entscheidende Rolle spielen. Die Form, sieben Spiele ungeschlagen und Tabellenführer (19:1 Tore), stimmt. Mit Marco Rose steht ein Ruhepol an der Seitenlinie.
Nur, hilft das, um gegen harte Gangart, Fouls und Provokationen zu bestehen? Es ist davon auszugehen, dass der Gastgeber alles unternehmen wird, um Salzburgs Spielfluss mit allen Mitteln der Kunst zu zerstören. Damit müssen Fußballer in Belgrad immer rechnen. Selbst ein Geisterspiel im „Marakana“ ist kein Spaziergang.
Viele Salzburg-Spieler schwiegen zuletzt beharrlich zum Thema Champions League. Die ewigen Fragen nach Ängsten, Versagen oder Träumen konnten Lainer oder Ulmer schon nicht mehr hören. Auch Trainer Rose übte sich in Ausflüchten, man versuchte, damit das medial-klassische Prozedere gekonnt zu entschleunigen.
Zwei CL-Saisonen in Serie?
Gelingt der historische Coup, warten nicht nur ein Geldsegen auf den Mateschitz-Verein (Startprämie 15,25 Mio. Euro, 8,8 Mio. Bonus aus Uefa-Wertung) und drei ausverkaufte Duelle mit Topklubs, sondern verändert sich auch Österreichs Fußball bahnbrechend. Salzburg wird wachsen, wichtige Matchpraxis sammeln, leichter mehr (und bessere) Spieler holen, ausbilden bzw. teurer verkaufen.
Dass der Weg zum Titel erneut nur über die Bullen führen wird, ist logisch. Und, auf den ersten Meister der Zwölferliga wartet in der Saison 2019/2020 der CL-Fixplatz. Salzburg könnte also zwei Saisonen in Serie in der Millionenliga spielen. Dann wäre der Abstand zu allen anderen Ligaklubs fast uneinholbar angewachsen. (fin)
Liveübertragung: 21 Uhr (dazn.com)
("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.08.2018)